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Mystische / Geheimnisvolle Pfade
wandern

Werk Tanne: Rundwanderung um den Lost Place bei Clausthal

Anspruch:
leicht
Dauer:
02:00 Std.
Länge:
7 km
Aufstieg:
50 m
Abstieg:
50 m

Eine Rundwanderung um den zerstörten Industriekomplex des Werk Tanne bei Clausthal zeigt Zeugnisse menschlicher Verführbarkeit durch Überwertigkeitsfantasien. Sie sind hier zugleich Zeugnisse des Scheiterns solcher Ideologie und tröstliche Anblicke von neu darüberwucherndem Leben.

Beschreibung

Bei dieser Wanderung zum Werk Tanne erleben wir als Wanderer ein Wechselbad von Eindrücken, Erkenntnissen, Gefühlen: Die hingeklotzten technischen Bauten sind steinerne Zeugen einer Überwertigkeitslehre, die auf Weltherrschaft zielte. Und für viel Leid sorgte. Und uns mahnen kann.

Auch zeitweilig mächtige Gewalt ist endlich. Sie wirkt aber lange nach. So hat Grundwasser ein Gedächtnis wie ein Elefant. Und die Schäden in den Seelen von Opfern und Tätern wirken über Generationen. Aber auch: Pflanzen und Tiere erobern die Ruinen der Todesorte wieder und schaffen darauf neu anrührende Schönheit.

Von der Tannenhöhe zum Brockenblick

Von der Einmündung der Straße Tannenhöhe gehen wir auf dem Grasweg neben der Altenauer Straße nordostwärts zur ehemaligen Jugendherberge (jetzt Ferienwohnungen eines Outdoor-Centers) und nördlich auf einem Fußweg im Wald zu einer Forststraße hinab.

Gleich gegenüber führt ein Weg im Wald auf etwa gleicher Höhe in einem Bogen nach rechts und zuletzt abwärts zu einem Stück Wassergraben des Burgstätter Zuges, der danach unterirdisch weiterzieht.

Der Weg steigt wieder an und leitet in der Nähe der hier schnurgeraden Altenauer Straße (aber unterhalb von dieser) weiter und überquert nochmals eine Forststraße. Bald danach erreicht er dann eine zweite breite Forststraße. Diese führt nach rechts rasch auf die Altenauer Straße. Gegenüber bringt uns eine Forststraße etwas absteigend zu einer Kreuzung.

Hier folgen wir rechts einer Straße entlang eines Maschendrahtzauns zu einem "fossilen" Restaurant namens Brockenblick. Verblichene Brausewerbung der 1960er-Jahre und verrammelte Fenster und Türen zeigen, dass das Lokal schon lange geschlossen ist.

Hinter dem vergammelnden Gebäude versperrt ein verschlossenes Tor den Weiterweg. Es erlaubt aber Durchblicke auf das alte Straßenpflaster der ursprünglichen Altenauer Straße und weitere Gebäude als gespenstisches Bild versinkender Industriewüste.

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Vom Brockenblick zum Fortuner Teich

Beim Rückweg wird deutlich, dass auch auf der anderen Seite ein Drahtzaun die jetzige Stichstraße begleitet und im Wald von Algen und Moos überzogene Betongebäude vor sich hindämmern. Der Zaun begleitet auch die nach rechts weiterführende Straße.

Bei näherem Hinsehen besteht er aus im Abstand von zwei Metern gesetzten, alten und allmählich zerfallenden Betonpfosten (Modell Auschwitz, Treblinka, Buchenwald usw.) und jeweils dazwischen eingefügten, neueren plastiküberzogenen Metallpfosten (Modell Bundesrepublik Deutschland).

Sie halten hohen, mit Grün ummantelten Maschendraht. Bald führen die Straße nach links und der Zaun nach rechts im Wald weiter. Wir folgen der Straße einige Minuten hinab bis kurz vor den ruhigen Fortuner Teich. Er ist ebenso wie der vorher schon einmal gesichtete Graben und wie der Graben an seiner Westseite Teil der historischen Oberharzer Wasserwirtschaft.

Dieser Grabenweg leitet am Westufer entlang. Man passiert in einem einmündenden Tälchen das Mundloch eines das Wasser gen Clausthal unterirdisch weiterführenden Wasserstollens. Wir folgen nach links dem angenehmen Weg weiter bis fast ans Ende des Fortuner Teiches. Von hier führt der Weg nach rechts im Wald hinauf zu einer quer verlaufenden Straße.

Wir gehen hier rechts und stoßen bald wieder auf die Stelle, wo von rechts der Zaun heranführt. (Man kann auch mit mehr Mühe auf Pfadspuren diesem Zaun von der Straße beim "Brockenblick" auf 1,3 Kilometern, an je etwa 650 Pfosten beider Sorten vorbei, bis zur Straße folgen – eine monotonere, aber eindringlichere Variante. Dabei sind auch einige Zaunlöcher sowie ein alter Stromanschluss zu besichtigen ...)

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Über den Pfauenteich zum Werk Tanne

Die Straße führt nochmals über einen Kilometer am Zaun entlang westwärts bis vor den Oberen Pfauenteich. Hier gibt es einen Rastplatz und eine Infotafel des Wasserwanderwegs (allerdings in beachtlicher Verdrängungsleistung – darauf kein Wort zum Werk Tanne!). Von hier erlaubt ein von der Straße überbrückter, betonierter Wasserdurchlass, jenseits einen Pfad im Wald zu erreichen. Er führt nördlich eines Grabens am Zaun entlang westwärts.

Nach einem Knick des Zaunes leitet er bald nach rechts (nordwärts). Hier werden zwischen den Bäumen größere Ruinen des Rüstungskomplexes  Werk Tanne erkennbar. Wo der Zaun wieder nach links biegt, wird das hier wuchernde Gebüsch und Rankenwerk vor dem Zaun wirklich schwierig passierbar. 

Hier erlaubt er nur noch sehr robusten und leidenswilligen Wanderern ein Durchkommen bis zum Weg auf dem Damm zwischen Mittlerem und Unterem Pfauenteich.

Vom Werk Tanne zur Tannenhöhe

 Wir gehen den Pfad zurück zum Wasserdurchlass und der Straße und folgen ihr rechts weiter über den Damm. Danach nehmen wir den Weg nahe dem Mittleren Pfauenteich entlang eines Grabens bis vor hohe Bäume. Rechts führt er zu einer von einer Hecke umgebenen Gedenkstätte. Hier erinnern zwei mit russischen Namen überzogene Stelen an die im Werk Tanne umgekommenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.

Nordwärts führt der Weg rasch hinab zum Graben vor dem Unteren Pfauenteich. Schilder im Schilf warnen vor dem Betreten des immer noch mit Chemiegiften der Munitionsfabrik belasteten Geländes. Über den stauenden Damm gelangen wir nach rechts zur Altenauer Straße und folgen ihr nun ansteigend zurück zum Ausgangspunkt. Zuletzt begleitet die Straße wieder der schon vertraute Zaun.

Am Eingang zum jetzigen Gewerbepark stehen verlassen und von Kräutern und Bäumchen eingerahmt die großen, mit gelber Holzverschalung versehenen ehemaligen Verwaltungsgebäude des Werks Tanne. Stätten einstiger brutaler Machtausübung so im Vergehen zu betrachten, hat auch etwas Tröstliches.

Die ersten holzverschalten Häuser an der nach der Runde vielleicht nicht mehr ganz so idyllisch klingenden "Tannenhöhe" gehörten als "Doktorenhäuser" ebenfalls zum Werk Tanne. Und die westliche Seite dieser Straße, wo es sich gut parken lässt, ist die aufgefüllte Trasse der Bahnlinie, mit der der Komplex erschlossen war. Alles Spuren der Infrastruktur einer Gewaltherrschaft ...

Region

Touren-Charakter

Rundwanderung auf festen Wegen, in Varianten auch herbe Pfade

Ausgangspunkt

Einmündung der Straße Tannenhöhe in die Altenauer Straße in Clausthal-Zellerfeld

Information

Die Sprengstofffabrik mit harmlosem Namen "Werk Tanne" war die Tarnbezeichnung einer 1935/36 östlich von Clausthal-Zellerfeld gebauten Munitionsfabrik. Sie gehörte zur Vorbereitung und Durchführung des Projektes Welteroberung für die Herrenrasse und Versklavung von als minderwertig erklärten Menschen. Die Produktionsstätten wurden unter Befehl des Oberkommandos des Heeres (OKD) von der Tochter Dynamit-AG (DAG) des IG Farben-Konzerns in bunkerähnlichen Gebäuden eingerichtet, auf denen man zur Tarnung Bäume pflanzte.

Der Bau einer Umgehungsstraße sollte die Abschirmung des Komplexes verbessern. Ab Juni 1939 wurde die mit sehr giftigen Emissionen verbundene Produktion begonnen. Die Abwässer leitete man anfangs in Teiche und alte Bergwerke, später in Osterode-Petershütte in den Untergrund und damit ins Grund­wasser. Im Werk kam es am 6. Juni 1940 durch Pfusch zu einer riesigen Explosion, die 61 Arbeiter tötete. Das Werk lieferte danach trotzdem zeitweise mehr als die Hälfte des gesamten Sprengstoffs für die Wehrmacht, 1942 mit 2600 Beschäftigten. Etwa die Hälfte davon waren Zwangsarbeiter. Diese wurden für besonders schadstoffbelastete Arbeiten eingesetzt und dabei schleichend vergiftet. Beim Bombenangriff der Alliierten kamen 1944 viele von ihnen in ihren ungeschützten Unterkünften zu Tode. Die Sprengung der restlichen Anlagen nach dem Kriege verteilte die Schadstoffe zusätzlich, was heute die Sanierung erschwert. Ebenso wie die Verdrängung all dieser Tatsachen.

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Insgesamt ist das Werk Tanne, wie auch die gestalteten Gedenkstätten Heimkehle und Mittelbau Dora, ein erschütterndes Denkmal für die Folgen der Anfälligkeit von Menschen für demagogische Einflüsterungen, gerade sie seien mehr wert als andere und deshalb deren Unterdrückung und Ausbeutung rechtens und, und, und, bis hin zum systematischen Massenmord. Dass unser Grundgesetz die Diskriminierung von Menschen wegen Herkunft oder Anders­artigkeit grundsätzlich verbietet, hat das Wissen um diese Zusammenhänge und überhaupt um diese Abgründe in unserer menschlichen Psyche als Hintergrund. Neben denen machen sich selbst drastische Personifizierungen des Bösen in Gestalt von Teufeln oder Hexen wahrhaft niedlich aus.

Reale Gefahr lauert hier auch heute noch durch die im Boden und Grundwasser nur langsam und unvollkommen abbaubaren Gifte (vor allem 2,4,5-Trinitrotoluol, kurz TNT). Sie sickern mit dem Gefälle weiterhin in Richtung Innerste, Rhume und Söse, als würde ein Krake seine Tentakel ausstrecken. Bei Lasfelde und Wildemann mussten deshalb Trinkwasserbrunnen stillgelegt werden. Rückhaltebecken sollen die Wasserbewegung verlangsamen und dem Abbau durch Sonnenlicht aussetzen. Aber zugleich konzentrieren Ablagerungsvorgänge Schadstoffe wieder neu in den Schlämmen der schon einmal ausgekofferten Pfauenteiche. Schadstoffe werden auch vom ehemaligen Herzberger Bombenfüllwerk Kiefer bis zur Rhumequelle nachgewiesen ...

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Für die Richtigkeit und Aktualität der Angaben kann trotz größtmöglicher redaktioneller Sorgfalt keine Haftung übernommen werden. Insbesondere bei GPS Daten können Abweichungen nicht ausgeschlossen werden.
Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung, sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.