SPANIEN

Klettern auf Teneriffa

Von wegen Rentnerinsel! Teneriffa ist ein Hot Spot für Kletterer. Mehr als 300 Sonnentage pro Jahr und 15 Gebiete mit Traumfelsen machen den Süden der Insel zum echten Kletterparadies.

Wahnsinnslinie: Yeray Gil Britoin klettert »Bubangos cream« (8a)
Wahnsinnslinie: Yeray Gil Britoin klettert »Bubangos cream« (8a)© Omar Caballero

"Ich hoffe, wir bekommen noch einen Fensterplatz", moniert der Badeschlappenträger mit kurzer Hose und Bierbauch hinter mir. Seine blondierte Begleitung mit zu kurzem Rock mault ebenfalls schon vor dem Abflug: "Wenn das Buffet nicht schmeckt ..."

Ich beginne zu zweifeln, ob meine Entscheidung richtig war. Zwischen Pauschaltouristen und vollgestopften Koffern fühle ich mich mit Trekkingrucksack und Kletterausrüstung wie ein Exot. Über dem Check-in-Desk steht in großen Lettern "TENERIFFA SÜD". Ob die Insel hält, was der Kletterführer verspricht? 

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Teneriffa: Das Kletterparadies

Nach vierstündigem Flug entführen mich meine Insel-Freunde in eine Welt weit weg von All-inclusive-Packages: Das Klettergebiet La Martela ist ideal zum Einklettern. Die Routen in der Schlucht wurden saniert. Der obere Sektor ist ein wahres Juwel für Kletterfreunde der gemäßigten Grade.

Zahlreiche, bestens abgesicherte Routen in den Graden 5b bis 6a befinden sich hier. Wer schwerer klettern möchte, für den bietet das Plateau am Ende der Schlucht auch steile und schwere Routen ab 6b+. Es ist Samstag und niemand ist hier. Zum Warming up steige ich in Mencey de Chasna, eine 22 Meter lange 5b ein. 

In a la sombra del almacigo (6b) trennt sich bereits am zweiten Haken die Spreu vom Weizen: Ein handbreiter Riss im leicht überhängenden Gelände erfordert meinen ganzen Mut. Noch nie habe ich geklemmt. – Eine verflixte Technick, wenn man sie nicht kann. "Cool bleiben", denke ich mir. Ich klemme meine Hand in den Spalt und versuche die Füße langsam höher zu arbeiten. Nur von dem kleinen Band aus kann ich den zweiten Haken clippen. – Millimeter trennen mich vom rettenden Henkel. "Verdammt, noch ein kleines bisschen höher".

Risskletterei in allen Schwierigkeitsgraden

Ich fange an zu schwitzen. – Vielleicht liegt es am Angstschweiß, vielleicht auch an meiner unausgefeilten Klemmtechnik, wahrscheinlich an der Kombination aus beiden Faktoren – ein paar Sekunden später stürze ich jedenfalls ins Seil. Beim zweiten Versuch klemme ich schon besser, kann die Füße höher platzieren und clippen. "Puh, geschafft!" Auf der Insel steht Rissklettern hoch im Kurs. Wer das nicht kann, wird es hier lernen.

In der Schlucht von La Martela, durch die bei Regen das Wasser rauscht, ist der Fels rund und hell. Nichts zu sehen von dem roten Gestein, das ich im Kletterführer gesehen habe. Doch auch das ist Basalt, ein Vulkangestein mit tausend Gesichtern, das es auf der Insel in vielen Varianten gibt: rot, grau, ockerfarben, rund gewaschen, splittrig, sloperig, leistig, löcherig, steil, überhängend. Am Abend belohnen wir uns auf der Sonnenterasse von "Franchy", dem Kletterertreff in Granadilla, mit einem kühlen Bier, leckeren "Albondigas" und herzhaftem Ziegenkäse.

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Die Red Rocks auf den Kanaren

Wie ein Ungetüm baut sich der dunkelrote, verblockte Felsriegel in der Schlucht von El Rio vor mir auf. Im Angesicht der imposanten Wand fühle ich mich klein und demütig. Ein Hirtenjunge treibt seine Herde am Wandfuß des scheinbar endlosen Riegels entlang. Klettern muss man können im Sektor Presa, durch den mich Guide Erick führt. Viele Routen befinden sich am mittleren und oberen Ende der Schwierigkeitsskala. Unter 6a ist fast nichts zu holen. Wer aber 6b und aufwärts klettert, findet Routen zuhauf. Zum Auftakt quäle ich mich Vente pa’ca (6a), einen pumpigen und 25 Meter langen Riss, nach oben. Danach folgt En Busca y captura (6a+), eine 30 Meter lange Top-Route, die rechts von La Placa del Guanche (6c) verläuft.

Ausdauer ist hier gefragt, denn selten sind die Routen kürzer als 20 Meter. An verhältnismäßig kleinen Leisten kämpfe ich mich bis zum letzten Haken. In El Rio dominiert statische Kletterei an oft weiten Zügen. In punkto Bewertung wird einem nicht unbedingt etwas geschenkt. Was Schönheit und Abwechslungsreichtum betrifft, hingegen schon: Die Linien sind echte Inselperlen. Homogene Bewegungsabläufe an bestem Gestein, die Spaß machen. Legalidad Vigente (6b+) verlangt mir mit einer harten Leistenpassage ebenfalls einiges ab. Auf den kraftigen Einstieg folgt abwechslungsreiche Platten- und Risskletterei at its best.

Red Rocks Feeling inklusive: Die Optik in der verblockten und imposanten Felskulisse ist beeindruckend. Wie gerne hätte ich mehr Zeit. Allein El Rio bietet mit ca. 82 Routen Kletterstoff für mehr als eine Woche Urlaub. An Felsen mangelt es der Insel sicher nicht. Zugeboltete Klettergebiete mit unhomogenen Routen wird man auf Teneriffa deshalb nicht finden. Jedes Gebiet und jede Route hat Qualität und einen eigenen Zauber.

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Teneriffa "on the blocks"

Am Nachmittag zeigt mir Boulderfreak Walter einen seiner neuen Spots. Nur einen Katzensprung liegen um Granadilla die Gebiete voneinander entfernt. Ein Felswechsel ist also nie mit großem Aufwand verbunden. Vom Sandstrand in El Médano führt die Straße auf gerade mal zehn Kilometern 700 Höhenmeter hinauf zu den Kletterfelsen. Die Sonne brennt –  dabei ist erst April.

Nach zweiminütigem Abstieg in die Schlucht stehen wir vor einigen geputzten Blöcken. Arico ist eigentlich das Sportklettermekka der Insel. Chris Sharma war auch vor kurzem zu Besuch. Im vorderen Sektor gibt es steile und schwere Routen zuhauf. Richtiger Hardmoverstuff. Doch auch für Normalos wie mich hat Arico jede Menge zu bieten. Und man kann Hot-Spotauch ohne Seil richtig gut klettern. Den ganzen Nachmittag tüfteln wir an Mantlern, Auflegern und Kanten, bis mir  fast die Arme platzen. 

Zu Füßen des Teide

Ich glaube es liegt am Wassermelonenschnaps. Der floss am Vorabend zusammen mit reichlich Cerveza in einer gemütlichen Tapasbar. Den Preis zahle ich erst tags darauf: Im eindrucksvollsten Klettergebiet der Insel geht es mir gar nicht gut. Cañada del Capricho liegt in einer Kraterlandschaft unterhalb des Teide auf ungefähr 2000 Metern im Teide Nationalpark. Hier oben sieht es aus wie auf dem Mond. Gelblich und ockerfarben blinzelt mir der Fels schon von weitem entgegen.

Der Basalt weist bizarre Formen und Strukturen auf. Lange Kletterrouten an verwinkelten Türmen und Wände in zehn verschiedenen Sektoren gilt es zu entdecken. Der feste Fels verspricht abwechslungsreiche Kletterei in allen Schwierigkeitsgraden. Wir haben uns für den Sektor El Psiquiatrico entschieden. An dem freistehenden Felsriegel gibt es auch leichte Tradrouten.

Klettergenuss in atemberaubenden Kulisse

Erick ist ganz heiß darauf Waterloo (5c, trad) selbst abzusichern. Wegen meines Brummschädels steige ich nach. Im Anschluss versuche ich mich an No te es Kakees (6b+). Die Route entpuppt sich als ein absolutes Highlight: Piazeinstieg, Klemmriss, Kantenkletterei und zum krönenden Abschluss noch eine kurze Plattenpassage am Ausstieg – 25 Meter Klettergenuss mit vielen technischen Raffinessen in einer atemberaubenden Kulisse.

El Caprichio ist landschaftlich gesehen ein Klettergebiet der Superlative. Ich fühle mich in dem uralten Krater mit Ausblick auf den Teide-Vulkan in eine andere Welt versetzt. Hier oben ist nicht vorstellbar, dass Strand und Atlantik nur eine dreiviertel Stunde Fahrzeit entfernt auf mich warten. 

Auf ein Wiedersehen

Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist, heißt es. – So ein Schmarren. Mit schwerem Herzen und Gepäck stehe ich am Flughafen. Erhaben reihe ich mich in die Schlange braungebrannter Pauschaltouristen und fühle mich priviligiert.

Denn ich habe eine Insel abseits der Massenstrände kennengelernt. Wehmütig sehe ich wenig später aus dem Fenster, während der Flieger in Richtung Heimat abhebt. Zu Hause erwarten mich die stets überfüllte Kletterhalle und trübes Schmuddelwetter. Mein nächster Flug ins Kletterparadies ist so gut wie gebucht.

Info: Klettern auf Teneriffa

Die gut eingerichteten Felsen Teneriffas bieten abwechslungsreiche Kletterei an festem Gestein. Im Inselsüden befinden sich 15 Kletter- und vier Bouldergebiete.

  • Lage: Teneriffa ist die größte der Kanarischen Inseln und liegt ca. 1300 km vom spanischen Festland entfernt vor der Küste Marokkos und der Westsahara.
  • Anreise: Per Flugzeug bis Tenerife Sur (Teneriffa Süd). Von dort weiter auf der Autobahn TF 1 bis zur Ausfahrt San Isidro/Granadilla/El Médano. Granadilla liegt im Zentrum der Klettergebiete und befindet sich ca. 30 Min. vom Flughafen entfernt.
  • Übernachtung: Ferienwohnungen und Fincas in und um Granadilla findet man auf www.tenerifelodge.com; Kontakt über Penny (info@tenerifelodge.com). Wer am Meer übernachten möchte, für den bietet Penny auch Appartements am Strand von El Médano an. Nicht so empfehlenswert sind Pauschalangebote in den Touristenorten Los Cristianos oder Playa de las Americas, weil sich die Orte relativ weit von den Felsen entfernt befinden. Zum Zelten gibt es den Campingplatz "Montaña Roja" unweit von El Médano (www.camping-tenerife.com).
  • Verpflegung: In San Isidro gibt es zwei große Supermärkte, in kleineren Ortschaften Lebensmittelgeschäfte für den Grundbedarf. In El Médano befinden sich viele internationale Restaurants mit europäischer und asiatischer Küche.
  • Beste Jahreszeit: Teneriffa ist ein Ganzjahres-Klettergebiet. Der Süden, in dem sich die Klettergebiete befinden, ist niederschlagsarm. Im Frühling, Herbst und Winter herrschen angenehme Klettertemperaturen.
  • Topo: Der Topo "Escaladas en Arico" stellt ca. 500 Kletterrouten in den Gebieten Arico, El Rio, Las Vegas und El Hoyo vor. Man kann den Führer direkt vor Ort im Outdoor-Shop in Granadilla kaufen (ca. 17,– €). Die Shop-Besitzer und Kletterer Juliane und Nick kennen die Felsen und helfen gerne. Bei ihnen gibt es auch Infos zu den Gebieten La Martela und Cañada del Capricho. Tenerife Outdoor, Calle Isaac de Vega 15, 38600 Granadilla de Abona, Tel. 00 34/9 22/ 77 43 44; info@tenerifeoutdoor.com; www.tenerifeoutdoor.com
  • Die Kletterschule Roxtar gibt Kurse für alle Könnensstufen und führt zu den besten Felsen. Infos unter www.roxtar.es
  • Bouldern: Auf Teneriffa gibt es nicht nur beeindruckende Sportklettergebiete, sondern auch gute Boulderspots. Allein in Arico und Arico Nuevo befinden sich ca. 150 definierte Boulder von 6a bis 8b. Die technisch anspruchsvollen Probleme sind ebenso vielfältig wie die Routenkletterei der Insel. Weitere Bouldergebiete befinden sich im Insel-Norden: www.bouldercanarias.com informiert über viele Gebiete mit Topos, Bildern und Videos. Weitere Informationen bekommt man im Outdoorshop in Granadilla. Im Shop gibt es außerdem Crashpads zu leihen.

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