Die 5 schönsten Klettergebiete für Genusskletterer in den Dolomiten
Riesige Wände und epische Routen: Die Dolomiten sind eigentlich nichts für Kletter-Neulinge. In diesen fünf Gebieten werden aber auch Einsteiger glücklich!
Griffige Henkel und sanfte Neigungen wie in den Tannheimer Bergen? Kurze Routen wie am Achensee? Komfortable Hakenabstände wie im Kaiser? Nichts davon erwartet Klettereinsteiger in den Dolomiten. Stattdessen furchteinflößend gewaltige Wände, Sicherungen, die wahlweise großen Mut oder tiefes Vertrauen erfordern, epische Routen. Warum also sollte man sich als Anfänger hier rumtreiben?
"Weil kein anderes Gebirge in den Alpen so sehr danach ruft, bestiegen zu werden", sagt Fotograf und Dolomiten-Kenner Ralf Gantzhorn. Und weil es hier schlicht wunderschön ist. Diese Routen bieten eine sanfte Annährung an das Kletter-Dorado Dolomiten…
Alpines Klettern ohne solide Ausbildung und Erfahrung ist lebensgefährlich!
1. Prächtige Aussicht am Hexenstein, Südkante
Der perfekte Einstieg ins Dolomitenklettern! So geht das hier: Rauer, hervorragend fester Fels, Wand-, Riss- und Kaminpassagen. Dazu eine übersichtliche Länge und perfekte Absicherung. Schöner kann man sich diesem Gebirge kaum nähern. Und selbst die letzte der sechs Seillängen sieht deutlich gemeiner aus, als sie wirklich ist.
Wenn man drinhängt, breitet sich ein Meer aus guten Griffen und Klebehaken vor dem Kletterer aus. Wem dieser Abschluss dennoch zu knackig ist, der kann diese Seillänge nach rechts durch eine recht erdige Rinne umgehen.
Wie ihr Name schon sagt, die Südkante ist nach Süden exponiert, darum sollte man sie im Hochsommer zur Mittagszeit meiden. Überhaupt gilt: Wer ganz früh aus den Federn kommt, oder erst am frühen Abend einsteigt, hat mehr davon. Dann besteht die Chance, diese Tour mit prächtigen Aussichten (fast) für sich allein zu haben.
- Ausgangs-/Endpunkt: Parkplatz zwischen Falzarego- und Valparolapass
- Schwierigkeit: IV+, eine glatte Stelle V-
- Sicherung: gebohrte Standhaken, ausreichend Zwischenhaken
- Länge: 230 Klettermeter, 6 bzw. 7 SL
- Gehzeiten: Zustieg ca. 30 Min., Kletterzeit ca. 2 Std., Abstieg (vorbei an alten Schützengräben über den markierten Normalweg) ca. 45 Min.
2. Fordernd bis zum Schluss: Sass da Ciampac, Südwand, "Adang"
Oberhalb von Corvara türmen sich die Pfeiler des Sass da Ciampac auf. Von unten sehen sie ein wenig aus wie milde Rampen. Doch wie so oft beim Klettern handelt es sich dabei eindeutig um eine optische Täuschung. Wer hier einstiegt, sollte den oberen V.
Grad schon gut beherrschen – vor allem wegen der vorletzten Seillänge. Ansonsten bewegt sich die Tour meist im IV. und V. Grad. Doch neben dieser vorletzten und schwierigsten Seillänge, die Kraft und eine gute Fußtechnik erfordert, kommen zwei weitere Herausforderungen hinzu: Die Routenfindung ist nicht ganz einfach und die Sicherungen sind spärlich.
Heißt: Die Stände sind eingerichtet, Zwischensicherungen eher Mangelware, alles andere muss – wo möglich – selbst gelegt werden. Gerade wer noch nicht so geübt darin ist und viel Material verwendet, braucht Zeit dafür. Darum gilt für die Adang – auch wenn sie "nur" zwölf Seillängen hat, es ist eine fordernde Ganztagestour. Fans von Riss- und Verschneidungskletterei werden die Tour durch leicht geneigte Platten und festen Fels lieben.
- Ausgangs-/Endpunkt: Grödnerjoch
- Schwierigkeit: Meist IV und V, Ausstiegsverschneidung V+
- Sicherung: Stände eingerichtet, wenig Zwischenhaken
- Länge: 430 Klettermeter, 12 SL
- Gehzeiten: Zustieg vom Grödnerjoch ca. 1½ Std., Kletterzeit ca. 5 Std., Abstieg über schönen und markierten Wanderweg ca. 2 Std.
3. Im Übergang zum Marmor: Delagoturm, Südwestkante, Delagokan
Zugegeben, zunächst ist es etwas schwierig, umgeben von Asiaten in Flipflops und Wanderern in Karohemden das Gefühl zu bekommen, gleich einen alpinistischen Klassiker in Angriff zu nehmen. Doch wenn man dann den Kopf in den Nacken legt und zu den Vajolettürmen, diesem Postkartenmotiv schlechthin, hinauf blickt, ist das im Sommer touristische Drumherum des Rosengartens schnell in Vergessenheit geraten.
Die Delagokante ist eindrucksvoll exponiert, dank fantastischer Ausblicke und perfekter Sicherung (einbetonierte Standhaken und reichlich gute Zwischenhaken) sorgt die Kletterei für Begeisterungsjuchzer. Vier Seillängen, Schwierigkeit IV+ – das scheint kein großes Problem zu sein. Und tatsächlich sind dankbare Griffe allgegenwärtig. Der Knackpunkt ist ein anderer: Dank ihrer Beliebtheit ist der Fels der luftigen Kante vielerorts schon mächtig glattpoliert.
Dafür ist der Spaß oben noch nicht vorbei: Nach einer kurzen Pause auf dem wirklich winzigen Gipfelplateau seilt man sich in die Scharte zwischen Delago- und Stadlerturm ab. Viel Luft unter dem Allerwertesten garantiert!
- Ausgangs-/Endpunkt: Gartlhütte
- Schwierigkeit: IV+ Sicherung: Einbetonierte Standhaken, gute Zwischenhaken
- Länge: 100 Klettermeter, 5 SL
- Gehzeiten: Zustieg ca. 20 Min., Kletterzeit ca. 1½ Std. (bei Ansturm und Wartezeiten auch deutlich länger), Abstieg ca. 45 Min.
4. Fels vom Feinsten: Averau, Südwestwand, "Alvera"
Wer als Anfänger durch Dolomitenkletterführer blättert, könnte leicht in Depressionen verfallen: So viele schwierige Routen! Die Alvera dagegen ist eine Hommage an Einsteiger in die vertikale Welt. Ja, die Wand ist recht steil, der Quergang ziemlich ausgesetzt, aber der Fels fest, die Henkel groß, der Genuss noch größer.
Und wenn dann die Sonne den typischen rot-orangenen Schimmer auf das Gestein zaubert, ein kurzer Gedanke an den Cappuccino danach auf dem Rifugio Averau durch den Kopf zieht, dann sind sämtliche Dolomiten-Klischees erfüllt. Und die Lust auf mehr ist garantiert geweckt.
- Ausgangs-/Endpunkt: Parkplatz am Passo Giau
- Schwierigkeit: III- bis (und das zum größten Teil) IV+
- Sicherung: Die meisten Standplätze sind eingebohrt, viele Zwischensicherungen
- Länge: ca. 150 Klettermeter, 7 SL
- Gehzeiten: Aufstieg ca. 1 Std., Kletterzeit 3 Std., Abstieg (auf Steigspuren zum "Amphitheater", von dort über den Klettersteig zurück zum Rifugio Averau und dann zum Passo Giau) ca. 1¼ Std.
5. Wenn's etwas schärfer sein darf: Torre-Grande-Nordgipfel, Ostwand, "Via Finlandia"
Irgendwann, nach vielem Rauf und Runter, nach Versteigen, Fluchen, Probieren und prächtigen, genussreichen Dolomitentouren steigt die Lust auf knackigere Touren in diesem Traumgebiet. Kurz, aber knackig ist die "Via Finlandia". Durchgehend zwischen VI und VII- garantiert die Tour abwechslungsreiches, aber auch anspruchsvolles Vergnügen für Fortgeschrittene.
Schon in der zweiten Seillänge sagt eine splittrige Verschneidung, wo es hier lang geht. Sind die Cinque Torri eher für ihre sanften Routen im Klettergarten berühmt, ist dies hier definitiv die Ausnahme. Und doch sind die kleinen Griffe und technisch anspruchsvollen Passagen in der kurzen, sechs Seillängen-Route ein guter Lehrmeister: etwa für die ewig langen Routen an der Civetta.
- Ausgangs-/Endpunkt: Rifugio Cinque Torri
- Schwierigkeit: Zwischen VI und VII-
- Sicherung: Standplätze und schwierige Stellen mit Bohrhaken gesichert
- Länge: ca. 150 Klettermeter, 6 SL Gehzeiten: ca. 15 Min. Zustieg, 2–3 Std. Kletterei (an gut besuchten Tagen leider auch länger), ca. ½ Std. Abstieg (nach einer 60 Meter langen Abseilstrecke in die dunkle Schlucht)
Weitere Infos zum Klettern in den Dolomiten:
Übersichtskarte:
Auch in den wilden Dolomiten gibt es Routen für Einsteiger.
Topo und Führer:
- Luzar/Roth "Topoguide – Kletterführer Alpen V bis VIII", Verlag topoguide.de.
- Wagenhals "Dolomiten Vertikal", Band Nord und Band Süd, Loboedition, tmms Verlag.
- Bernardi "Klettern in Cortina d’Ampezzo und Umgebung", Athesia-Spectrum
Karten:
- Kompass-Karten 1:50 000, Nr. 54 Bozen und Nr. 55 Cortina d’Ampezzo