Wandern Tiroler Zugspitz Arena: Der Wetterstein- Südsteig
Der lange Marsch auf der Sonnenseite. Stets an der sonnigen Südseite des felsigen Wettersteinkammes verläuft diese zweitägige Höhenwanderung, vom einen Rand des Gebirges zum anderen. Ein langer, durstfördernder Marsch mit stets wechselnden Ausblicken und ein paar kleinen Gipfel-Optionen.
Ein Auftakt nach Maß –
gemütlicher als mit der Gondel lassen sich die ersten 400 Höhenmeter von Ehrwald zur Ehrwalder Alm (1502m) kaum zurücklegen. Trotzdem kann man sich dort eine Einkehr mit Kaffee oder Weißwurstbrotzeit gönnen, denn das erste Wegstück verläuft über gemütliche Wiesenhänge, in einer vom Pistenskitourismus veredelten Landschaft: romantische Kunstschneespeicherbecken, geräumige Tiroler Hütten aus Beton mit Holzapplikationen, filigrane Liftmasten, braungraue Pistenrampen. »Schwoab’s obi!«, mag man sich nach einer guten halben Stunde auf der Hochfeldernalm (1732m) sagen; ab hier gerät die Arena allmählich aus den Augen und dem Sinn, und es geht hinein in die etwas wildere Natur.
Auf die prallen Felswände der Plattspitzen hält der Weg zu, biegt dann nach rechts um und quert unter den Wänden ansteigend hinüber zur ersten von vielen Scharten, Am Brand (2120m, ca. 2Std.). Hier darf man sich mit dem Phänomen anfreunden, das die nächsten Stunden prägen wird: Diverse Fels- und Graskämme, die vom Rückgrat des Wettersteingebirges nach Süden herunterstreichen, zwingen den Bergziegen ein ständiges Auf und Ab auf, eröffnen aber auch jedes Mal neue Geländekammern unterschiedlichen Charakters mit stets wechselnden Ausblicken. Beim ersten Aufstieg von der Ehrwalder Alm war noch der Blick nach Westen frei, leuchteten die Lechtaler Berge im Morgenlicht, die Ötztaler Eisgipfel. Sie verschwinden nun allmählich im Rücken, prägend sind für die nächsten Meter die wilden Kare und Felsburgen der Mieminger im Süden: Mitterspitze, Hochplattig, Hohe Wand.
Im Feldernjöchl trennen sich die Wege.
Links geht es übers »Gatterl« zur Knorrhütte und dem Zugspitz-Normalweg, der Südsteig führt nach rechts – durch ausgewaschene, erdige Hänge, eine veritable Mondlandschaft, einen der wilderen Winkel des Wettersteins. Eine knappe Stunde braucht man für den kurzen Abstieg ins Feldernjöchl (2045m) und den Wiederaufstieg zum Wannigjöchl (2186m), dann geht es durch steile Wiesen hinab zum Steinernen Hüttl (1930m, 0,5Std.), wo man auf Auffrischung der Flüssigkeitsspeicher hoffen darf. Zum Namen »Kotbachkar« darf sich jeder seine eigenen Gedanken machen, während er in der Mittagshitze eines schönen Sommertages durch weite Hänge zum Kamm des Predigtsteins (2234m) hinaufstiefelt. Wer nach dieser schweißtreibenden knappen Stunde den plattig-felsigen Predigtstein einen guten Berg sein lässt, mag er auch einen noch so markierten Weg zum Gipfel bieten (mit kurzer Felseinlage), und die Schritte lieber der flüssigkeitsspendenden Rotmoosalm (1904m, 0,5Std., Tel. 0043/ 664/4226149, www.rotmoosalm.info) zulenkt, braucht sich jedenfalls nicht Weichei nennen zu lassen.
Gut erfrischt lässt sich danach auch das letzte Drittel der ersten Tagesetappe bewältigen. Vielleicht ist durch den Energienachschub sogar so viel Gipfelstürmer-Übermut aufgelaufen, dass man vom Niderle (2105m, 40Min.) noch schnell dem gemütlich-grasigen Schönberg (2139m) zu Kopfe steigt. Anschließend ist es nämlich weitgehend vorbei mit den Aufstiegen; der Weg zieht sich durch gefühlt ewige Schuttfelder, die aus den Wänden unterhalb des Teufelsgrats gut genährt werden. Zur Rechten präsentiert nun die Hohe Munde ihre breite Nordwand, vor den Augen öffnet sich der Blick nach Osten: über das grüne Gaistal und den Wiesenboden der Leutasch hinweg aufs Inntal und die Stubaier und Zillertaler Gipfel. Vom Telfer Leger (2034m, 1–1,5Std.) geht es wieder durch Wiesen hinunter ins Scharnitztal, wo man die Wahl hat zwischen zwei Hütten: der Wangalm (1753m, Tel. 0043/680/5540504) oder der Wettersteinhütte (1717m, Tel. 0043/660/3462100, www.wettersteinhuette.at) fünf Minuten unterhalb – es sei denn, man möchte die Reise durch den Direktabstieg hinunter nach Leutasch schon hier beenden, der nach diesem Tagespensum allerdings ein Härtetest für die Knieknorpel wird. Und schade wär’s obendrein.
Denn die letzte Etappe lohnt besonders.
Im Scharnitzjoch (2048m) sieht man die senkrechten Wände der Schüsselkarspitze sich über dem Puittal in den Himmel recken. Eine Felsenflucht, in der die Meister des Kletterns viele historische Marksteine gesetzt haben. Den besten Blick auf dieses Geschichtsbuch der Vertikalartistik bietet die Gehrenspitze (2367m), für die man aus einem gemütlicheren Berggehen kurz in den Bergziegenmodus umschalten darf. Eine gute Stunde marschiert man auf dem lang gezogenen Gipfelkamm bergauf, rattensteile Wiesenhänge zur Rechten, düstere Felsabbrüche zur Linken, dann darf man Aus-, Tief- und Rückblicke nach Herzenslust genießen.
Den gleichen Grat geht es zurück ins Scharnitzjoch, dann wartet nur noch der Abstieg durchs Puittal, alles andere als eine Pflichtübung. Im blumenbunten Talboden, unter den erschreckenden Schüsselkarwänden, am glitzernden Bach, da darf sich gern jeder zwischen weidenden Kühen und Pferden in die Enzianwiesen legen – und wer vom Brünnlein des Puitbaches trinkt, braucht vorerst gar nichts anderes mehr.
Region
Touren-Charakter
Meist relativ leichter Bergweg ohne Absturzgefahr, aber lang und anstrengend. Gehrenspitze schwieriger und etwas ausgesetzt
Ausgangspunkt
Talstation der Ehrwalder Almbahn, 1108m
Endpunkt
Leutasch-Gasse, 1100mRoute
1. Tag 7-8Std., 2. Tag 4,5-5,5Std.
Information
Höhenmeter: 1.Tag 1275 Hm auf, 1050 Hm ab, 2. Tag 650 Hm auf, 950 Hm ab
Kultur im Leutaschtal
Ludwig Ganghofer (1855–1920) gilt als kitschiger Heimatschreiber und war Mitglied der nationalistischen Deutschen Vaterlandspartei. Aber er hatte eine jüdische Frau und unterzeichnete 1909 mit Frank Wedekind und Heinrich Mann den Demokratisierungsaufruf »Für die preußische Wahlreform«. In seinem Jagdhaus Hubertus im Gaistal empfing er Intellektuelle wie Ludwig Thoma, Richard Strauss, Rainer Maria Rilke und Hugo von Hofmannsthal. An Leben und Werk des Bestsellerautors mit über 30 Millionen verkauften Büchern erinnert das Kulturhaus Ganghofermuseum Leutasch (Dienstag und Mittwoch 10–12 Uhr, Donnerstag und Freitag 16–18 Uhr geöffnet, Tel. 0043/676/6056184, ganghofer.museum@aon.at).
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Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung,
sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.