JBerg-Verlag
Bergwandern
wandern

Wandern Seefeld: Ödkar- und Birkkarspitze

Anspruch:
schwer
Dauer:
07:00 Std.
Aufstieg:
1900 m
Abstieg:
1900 m

Zwei Gipfel zum Preis von (etwas mehr als) einem. Wenn das die Gipfelstürmer nicht freut: Gleich beide höchsten Gipfel des Karwendel kann man bei dieser Tour auf steilen Steigen überschreiten. Vorausgesetzt, man ist im rollsplittbedeckten Felsgelände entspannt und sicher unterwegs.

Beschreibung

Bevor man beweisen kann,

was man als tüchtige Bergziege oder Steinbock draufhat, hat das Karwendel einen Härtetest für die Ernsthaftigkeit der Ambition parat: Die echten Anstiege zu den Gipfeln beginnen oft erst am Ende endlos scheinender Täler, in denen selbst der Camel-Mann (»Dafür geh ich meilenweit ...«) ans Ende seiner Geduld und seiner Schuhsohlen geraten könnte. Das Karwendeltal, durch das der Zustieg zum Karwendelhaus führt, ist dafür ein haarsträubendes Beispiel: Rund 18 Kilometer sind es von Scharnitz zur Hütte. Wer ein Rad hat, weiß, was dann zu tun ist.

Ob per Rad oder pedes: Von den Karwendelparkplätzen in Scharnitz folgt man der Beschilderung Richtung Karwendelhaus, entweder mit etwas steilerem Anstieg über die Pürzlkapelle oder sanfter am Brantlegg entlang, dann knapp 50 Höhenmeter abwärts zum Karwendelbach, dem der Weg nun für eine reichlich lange Zeit folgt. Langweilig wird’s trotzdem nicht, denn von links wie rechts stürzen steile Hänge ins Tal hinunter, mit wilden Felswänden, Schuttrinnen und Wasserläufen, das Wasser ist so klar, wie es sich für einen Gebirgsbach gehört; wer in der Nachmittagshitze unterwegs sein sollte, wird die eine oder andere Gumpe zur Erfrischung nutzen mögen. Ab der Angeralm (1304m) nimmt die bisher gemütliche Steigung etwas zu; für die letzten knapp 400 Höhenmeter zur Hochalm und dem knapp darüberliegenden Karwendelhaus (1765m, Tel. 0043/720/983554, www.karwendelhaus.com) braucht man eine gute Übersetzung oder starke Wadeln. Merke: Radfahren macht vor allem abwärts Spaß. Oder beim Après-Biking, für das der Wirt des Karwendelhauses sicher die korrekten Elektrolytgetränke liefern kann.

Gut ausgeschlafen ist Gold wert

also das Après-Biking nicht zu lang ausdehnen, denn für die lange Tour heißt es früh raus und dann schnell wach sein: Gleich hinter der Hütte ziehen seilgesicherte Kehren den Steilhang hinauf. Im Schlauchkar, nach der Abzweigung zum Hüttengipfel Hochalmkreuz, geht’s dann richtig los: Der Brendelsteig verlässt den (etwas sanfteren) Schlauchkarsteig nach rechts und quert durchs Geröllkar, dann durch Schrofen zum steilen Nordgrat der Ödkarspitzen. Ein paar Sicherungen helfen durch die Felsen hinauf zum Grat, dem man für weitere 200 Höhenmeter folgt. Wo er sich ganz wild aufschwingt, weicht der Steig nach rechts aus und quert durch die Flanke hinüber ins obere Marxenkar; über Geröll, Schrofenstufen und zuletzt den felsigen Westgrat der Westlichen Ödkarspitze (2711m) erreicht man diesen ersten Gipfel des Tages (3–4Std. von der Hütte).

Was nun folgt, gehört schon in die Kategorie »gehobenes Wandervergnügen«. Vom Anspruch her, denn über den steilen Hängen ist Stolpern selten ratsam. Aber auch vom Erlebnis her: Die Welt liegt wirklich sehr weit unter den Füßen; wie nach einem Atombombenangriff wirkt die Landschaft – kein Mensch weit und breit, der Fels zerschlagen und zerbröselt, die Kämme nackt und öd. Wer sich den Namen Ödkarspitze ausgedacht hat, musste nicht lange grübeln und hätte keinen treffenderen finden können. Ohne große Schwierigkeiten erreicht man in einer guten Viertelstunde den Gipfel der Mittleren Ödkarspitze (2743m), der lange als höchster im Karwendel galt, bis man herausfand, dass die Birkkarspitze noch sechs Meter mehr auf dem Buckel hat. Bald wird man es selbst prüfen können, anhand der Anzeige des Armband-Höhenmessers oder des GPS, was der moderne Gipfelstürmer ja des Öfteren mit sich führt, um seine Leistung dokumentieren (und vor allem in sozialen Netzwerken verbreiten) zu können. Davor allerdings ist noch ein wenig ernsthaftere Kraxelei gefordert. Die kurze Steilstufe zur Östlichen Ödkarspitze (2739m) hinauf ist nicht sonderlich wild, etwas mehr Konzentration ist gefragt beim Abstieg in den Schlauchkarsattel (2635m), wo das kleine Birkkarhüttl windgeschützten Unterstand bietet (0,75–1Std. ab Westl. Ödkarspitze).

Dann kommt das große Finale.

Beim felsigen Aufstieg zur Birkkarspitze behalte man immer im Hinterkopf, dass man auf dem gleichen Weg auch wieder hinunter muss. Was im Aufstieg schnell mal husch, husch mit ein paar flotten Schritten übermogelt wird, kann sich dann plötzlich als schräge Felsplatte mit rollsplittartiger Geröllauflage und zehrendem Tiefblick erweisen. Also: Schön aufmerksam und langsam steigen, Kräfte sparen, dann ist man nach einer knappen halben Stunde oben, darf bewundernd an den einsamen Erstbesteiger Hermann von Barth (1870) denken und dann genauso konzentriert wieder den Rückweg bewältigen. Der Abstieg durchs Schlauchkar ist vergleichsweise harmlos – nur wer früh im Jahr unterwegs ist, kann auf hartem Altschnee womöglich über Pickel oder gar Steigeisen glücklich sein (Hüttenwirt fragen). Zwei Stunden darf man trotzdem bis zum Karwendelhaus zurück rechnen – und beim Rückweg nach Scharnitz kommen die Radler groß raus …

Touren-Charakter

Langer, leichter Zustieg zur Hütte, dann ernste Bergtour. Der Brendelsteig ist noch etwas anspruchsvoller als der Weg durchs Schlauchkar, an beiden Gipfeln leichte Kletterei mit vereinzelten Sicherungen.

Ausgangspunkt

Scharnitz, 964m

Information

Höhenmeter: Ca. 850 Hm auf, ca. 2150 Hm ab

Die perfekte Runde

Wer den Zustieg zum Karwendelhaus schlauerweise mit dem Rad erledigt, wird seine Kondition womöglich nicht als ausreichend gefordert empfinden. Solchen Menschen kann hier auch geholfen werden mit zwei Superlativen auf einmal: die berühmteste Karwendel-Radrunde zu seinen zwei höchsten Gipfeln. Dazu startet man bei Mittenwald und fährt nördlich des Orts zur Fereinalm (1395m), drüben hinunter nach Hinterriß (928m), von wo man durchs Johannestal den wirklich hübschen Kleinen Ahornboden (1403m) erreicht und über einen letzten Schotterweg das Karwendelhaus; gut 50 Kilometer sind eine schöne Vorbereitung auf die Bergtour am nächsten Tag.

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Bitte beachten!

Für die Richtigkeit und Aktualität der Angaben kann trotz größtmöglicher redaktioneller Sorgfalt keine Haftung übernommen werden. Insbesondere bei GPS Daten können Abweichungen nicht ausgeschlossen werden.
Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung, sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.