Wandern Dolomiten: Sentiero delle Farangole
Mitten durchs Herz der wilden Pala. Die Pale di San Martino, im deutschsprachigen Raum meist Palagruppe oder kurz Pala genannt, umfassen wohl die größte Ansammlung eindrucksvoller Felsbauten im gesamten Dolomitenraum. Wer hier eintaucht, erlebt alle Faszination der »Bleichen Berge«, zum Beispiel auf dem großartigen Sentiero delle Farangole, der die Rosettahütte auf der kargen Hochfläche mit der Mulazhütte unterm Focobon verbindet.
Ewige Faszination der Pala
Seit meinen ersten Erkundungen in der Pala bin ich von diesem Gebiet schlichtweg begeistert. Liegt es an der unglaublichen Formenvielfalt, an der Mischung streng hochalpiner und urwüchsig südalpiner Elemente oder einfach auch daran, dass es die Pala dem Besucher nicht unbedingt leicht macht, dass man sich hier gute Kenntnisse auf langen, oft beschwerlichen Streifzügen regelrecht erarbeiten muss Das Gros der Gipfel ist für normale Wanderer eine aufregende Staffage, jedoch praktisch unerreichbar. Und auch die markierten Steige haben es mitunter in sich. Der große Dolomiten-Höhenweg Nr. 2 durchquert die Gruppe von Nord nach Süd und integriert dabei auch den Sentiero delle Farangole, der an den Dreitausendern der Nordkette vorbeiführt. Alle paar Jahre bin ich dort unterwegs und stets aufs Neue in Bann gezogen von dieser charismatischen Topografie, von den Zacken über dem Val Grande, den Abgründen des Val delle Comelle und dem melancholisch-herben Altipiano, wo das steinerne Herz der Pala schlägt. Entgegen der üblichen Beschreibung im Rahmen des »Zweiers« empfehle ich hier als strammes Tagesprogramm die umgekehrte Richtung von Süd nach Nord. So können wir uns den Zustieg von einer Seilbahn abnehmen lassen. Gleichwohl wäre zu erwägen, dies bereits am Vortag zu tun und im Rifugio Rosetta zu nächtigen. Denn gerade die Morgenstimmungen in großer Höhe bereichern den Erlebniswert ungemein.
Etappe des Höhenwegs Nr. 2
Nachdem uns die Gondel von San Martino aus in zwei Sektionen in die Höhe gehievt hat, ist das Rifugio Pedrotti alla Rosetta (2581 m) auf der weitläufigen Pala-Hochfläche nur einen Katzensprung entfernt. Von dort mit Nr. 703 über die kargen Schuttfluren und Karrenfelder nordostwärts allmählich hinab und zum Pian delle Comelle, wo der Sentiero delle Farangole an der linken Seite weiterführt. Die Neigung der Flanken nimmt bald schon ein Ausmaß an, dass man objektiv von Ausgesetztheit sprechen kann. Eine erste echte Hürde bildet der Einschnitt des Valle delle Galline, wo wir nach einer engen, kaminartigen Passage die ausgewaschene Rinne kreuzen müssen.
Wer hier in den ersten Tagesstunden unterwegs ist, erlebt meist ein intensives Spiel von Licht und Schatten. Euphorisiert, aber auch mit der gebotenen Vorsicht, gehen wir die folgenden, teils mit Drahtseilen versehenen Schrofenquerungen an. Der von Schuttzungen durchzogene Boden des Pian delle Comelle liegt hier schon 400 Meter unter uns. Ein gutes Stück weiter öffnet sich mit dem Val Strut (2290 m) das nächste Hochtal aus dem oberen Stockwerk – ein schuttgefüllter Trichter, der gegen die alles überragende Cima della Vezzana aufschließt. Wir kommen leicht daran vorbei und treten die längere Steigung durchs Val Grande an. Auf der Seite der profilierten Torcia di Valgrande bleiben die Grasböschungen allmählich zurück. Oberhalb der Kar-schwelle dominiert Schutt, und man bekommt einen Einblick in den versteckten Winkel unterhalb der Ziròcole und der Cima dei Bureloni. Stärker im Fokus stehen freilich die Türme und Zacken, welche unmittelbar den Passo delle Farangole (2814 m) flankieren.
Über rutschigen Untergrund nähern wir uns von rechts her der Geröllrinne, die letztlich steil in die enge Kerbe hinaufzieht (Drahtseile an der rechten Felsbegrenzung). Der Übergang ist nicht leicht, gestattet aber überhaupt den einzigen Durchschlupf im Verlauf der ganzen Pala-Nordkette. Auf der anderen Seite beschäftigt uns zunächst ein kurzer Klettersteig, mit dem die Stufe jedoch weniger heikel zu überwinden ist als in der grimmigen Rinne daneben. Der anschließende Bogen unter den Wänden des Focobon verläuft je nach Jahreszeit im Geröll oder teils auch über Schneefelder. Unten kann man bereits die Kehren erkennen, die zum Campigol della Vezzana hinabziehen, doch ist es besser, auf stabilisiertem Weg zunächst die Forcella Margherita (2655 m) und anschließend den Passo del Mulàz zu überschreiten. Ein kurzer Abstecher zum Rifugio Volpi al Mulàz (2571 m) ist dabei wohl Ehrensache.
Galablick zum Abschluss
Nachdem man nun auch diesen Winkel der Pala auf sich wirken lassen konnte, wechselt man über den nahen Passo del Mulàz (2619 m) auf die Südwestseite und steigt mit Nr. 710 in einen Kartrichter ab. Eine steilere Partie verlangt leichte Unterstützung durch die Hände, ehe wir nach einer Rechtsbiegung auf den gewaltigen Schuttkegel gelangen, um über diesen im Zickzack weiter abzusteigen. Noch vor dem Talgrund halten wir uns links, durchqueren ein Blockfeld und leiten damit die etwas lästige, aber unvermeidliche Gegensteigung zum Passo Castrozza ein. Immerhin werden wir mit eindrucksvollen Blicken in das Gemäuer des Nordzuges bei Laune gehalten, während wir den Schleifen einer alten Militärtrasse folgen. Bei der Baita Segantini (2170 m) dann die klassische Perspektive auf den Cimòn della Pala, alpines Aushängeschild der ganzen Region und wirklich eine Silhouette, die man, einmal gesehen, nie mehr vergessen wird! Ist sogar noch die Abendsonne mit im Spiel, wird es fast schon kitschig. Etwas weiter amPasso Rolle verabschieden wir uns von diesem Zauber – im Bewusstsein, eine der schönsten Alpinwanderungen weit und breit kennengelernt zu haben.
Region
Touren-Charakter
Im Kernstück anspruchsvoller
Beste Jahreszeit
Anfang Juli bis Ende September
Ausgangspunkt
Bergstation der Rosettabahn (2635 m) von San Martino di Castrozza; Betriebszeiten von Ende Juni bis Mitte/Ende September (8.10 bis 16.40 Uhr)
Endpunkt
Passo Rolle (1972 m), Straßenpass zwischen Fleimstal und San Martino di CastrozzaRoute
Rosettabahn - Rifugio Pedrotti alla Rosetta ¼ Std. - Pian dei Cantoni ¾ Std. - Val Strut 1 Std. - Passo delle Farangole 1½ Std. - Rifugio Volpi al Mulàz ¾ Std. - Baita Segantini 2 Std. - Passo Rolle ½ Std.; insgesamt 6¾ Std.
Höchster Punkt
Passo delle Farangole (2814 m)Tipp
Ein Vorschlag für echte Gebirgsspezialisten mit tadelloser Kondition und Hang zu wenig ausgelatschten Pfaden ist die Rundtour um das Val delle Comelle! Es handelt sich um eine sehr lange und sehr eindrückliche Unternehmung, die man im Dörfchen Gares (1381 m) startet. Zuerst geht es in 4 Std. mit Nr. 755 hinauf zum Passo delle Fede (2670 m), über den man auf den Sentiero delle Farangole im Val Grande kommt. Nun südwärts bis zum Altipiano und dort nordostwärts abdrehen, um mit Nr. 756 via Passo Antermarùcol (2334 m) die Runde nach Gares zu schließen. Gesamtgehzeit 9½ Std.; Unterbrechung im Rifugio Rosetta möglich.
Für die Richtigkeit und Aktualität der Angaben kann trotz größtmöglicher redaktioneller Sorgfalt keine Haftung übernommen werden.
Insbesondere bei GPS Daten können Abweichungen nicht ausgeschlossen werden.
Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung,
sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.