Wandern Dolomiten: Der Sella-Ringbandweg
Mehr Aussicht geht kaum. Das südöstliche Sella-Band, dem dieser Weg folgt, ist eine schier endlos lange Terrasse in alpinen Höhen. Sie vermittelt eine Abfolge schönster Dolomitenbilder, startend mit dem Prachtblick zur Marmolada, bis hinaus zum Rand des Vallonkessels.
Ausgangspunkt der Wanderung ist das Pordoijoch , höchster Punkt an der Großen Dolomitenstraße. In etwa einer Stunde steigt man auf gutem Weglein hinauf in das Geröllkar unterhalb der Forcella Pordoi, wo rechts der Ringbandweg (1:00 Std.) abzweigt (Hinweistafel).
Die deutliche, markierte Spur verläuft, zunächst noch etwas an Höhe gewinnend, über die riesige Schuttterrasse, die für das Sellamassiv so charakteristisch ist. Sie trennt den kompakten Riffkalk (Schlerndolomit, unten) vom Hauptdolomit (oben). Da die dazwischen eingelagerten Raiblerschichten wasserundurchlässig sind, bildete sich im Lauf vieler Jahrtausende das Sella-Ringband heraus: Aussichtspromenade für den Homo ludens des 21. Jahrhunderts.
Blickfang ist auf dem ersten Wegabschnitt die Marmolada (3343 m) mit ihrem Gletscher, die sich so effektvoll über dem aus dunklem Vulkangestein aufgebauten Padònkamm erhebt.
Man passiert den Ansatzpunkt des winzigen Joël-Tälchens, durch das ein Weglein vom Ossario del Pordoi (Kriegerdenkmal) heraufkommt. Wenig weiter markiert eine Tafel den Beginn der Via ferrata Piazzetta, einem extrem schwierigen Klettersteig zum Piz Boè. Der Ringbandweg biegt unter den senkrechten Felsen der Punta dles Fontanes (2809 m) in die Gran Valacia ein und passiert am Felsfuß der Ponte eine weitere Abzweigung zum höchsten Gipfel des Sellamassivs.
Die Aussicht richtet sich jetzt vor allem nach Südosten und Osten, auf die Großen der Ampezzaner Dolomiten: die drei Tofane (3244 m), Sorapiš (3205 m), Antelao (3244 m), Pelmo (3168 m) und Civetta (3220 m). Wer schon ein paarmal wandernd und bergsteigend in den Dolomiten unterwegs war, wird die Gipfel leicht erkennen, ist doch jeder dieser Berge ein absolutes Unikat. Was für ein Kontrast zu dem sanftwelligen Almrevier der Pralongià, das sich im Dreireck Corvara – Arabba – Valparola erhebt!
Der Wander-»Highway« führt unter den Felsen der Ponte (2791 m) an einer seichten Lacke vorbei. Bereits sichtbar ist jetzt die Franz-Kostner-Hütte (3:30 Std.), die auf einem abgeflachten Buckel vor dem Eingang zum Valun steht. Benannt wurde sie nach Franz Kostner (1877–1968), einem Pionier des Tourismus im Hochabtei und echten Selfmademan. Er war Bergführer, Hotelier (er erwarb das Hotel Posta Zirm in Corvara, heute erstes Haus am Ort), Fuhrunternehmer und lange Jahre auch Bürgermeister von Corvara. Als Obmann des Tourismusvereins förderte er den Bau einer Hütte auf der Ostseite des Sellastocks.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte ihre Fertigstellung, der Rohbau verfiel nach und nach. Erst 1988 sollte die Bergsteigergemeinde hier ein Refugium bekommen. Der CAI Bozen errichtete über den alten Grundmauern eine gemütliche Hütte. Nördlich über der Karmulde des Valun erhebt sich über schroffen Felsen der Piz da Lech (Boèseekofel, 2913 m), ein beliebtes Gipfelziel mit großem Panorama. Der Normalweg verläuft über den Ostgrat (Sicherungen), 1:30 Std. von der Kostnerhütte. Wesentlich anspruchsvoller ist der Südwandklettersteig (nur für erfahrene Bergsteiger mit entsprechender Ausrüstung!).
Der Abstieg von der Kostnerhütte verläuft über den Plan de Sass – er bietet nochmals viel Aussicht. Sehr reizvoll der Blick auf Conturines (3064 m), Lavarela und Heiligkreuzkofel, die ostseitigen Kulissenberge des Hochabtei. Weniger schön ist die brutal ins Gelände trassierte Pistenautobahn, im Sommer eine hässliche, offene Wunde.
Erschließung um jeden Preis? Der kleine, kreisrunde Boèsee (2250 m) duckt sich links vom Weg in eine Karmulde, fast so, als würde er sich für das Tun des Menschen schämen … Nach einer ladinischen Sage soll auf seinem Grund ein schrecklicher Drache leben, der nächtens Land und Leute heimsucht. »Ljor ai tut per Gherdenacia / per Puez, per Putia e vigni dlaca / Sëgn oi n pu’ palsè e dormi / fe mi bèl lék dut kant dí.« (Nächtens im Flug über Gardenazza ging’s / über Puez und Peitler und alle Gletscher rings. / Nun will ich betten mich für des Tages Rast / in meines Sees lieblichem Wellenglast.)
Am Crep de Munt (4:15 Std.), an der Bergstation der von Corvara heraufkommenden Gondelbahn, endet die Aussichtswanderung. Wer sich den letzten Abschnitt ersparen will, steigt bereits oben am Rand des Valun in den Sessellift und schwebt in ein paar Minuten, den Blick auf ferne Höhen gerichtet, über den malträtierten Hang hinunter zum Crep de Munt.
Region
Ausgangspunkt
Pordoijoch (2239m)
Endpunkt
Seilbahnstation Crep de Munt (2194 m)Wegbeschaffenheit
Bergwege, am Sella-Ringband viel Geröll, recht steinig auch der Abstieg
Einmal ausprobieren: Klettersteiggehen
Die Dolomiten sind das Dorado der Klet-tersteige, die hier Vie ferrate heißen: klet-tern am sichernden Drahtseil, auch auf künstlichen Tritten. Eine überaus populäre Spielart des Bergsteigens und vergleichs-weise leicht zu lernen. Anleitung bietet das Lehrbuch »Klettersteiggehen«, die Vie ferrate finden sich in den »Top-Kletter-steigen Dolomiten« – beides Bücher von Eugen E. Hüsler, erschienen bei Bruck-mann in München. Allein rund um die Sella gibt es ein halbes Dutzend dieser »Eisenwege«, von mäßig schwierig bis sehr anspruchsvoll.
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Insbesondere bei GPS Daten können Abweichungen nicht ausgeschlossen werden.
Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung,
sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.