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Vergessene / Entdecker Pfade
wandern

Wanderung Dolomiten: Über den Gran Poz

Anspruch:
leicht
Dauer:
03:45 Std.
Länge:
8.5 km
Aufstieg:
620 m
Abstieg:
620 m

Im Schatten von Marmolada und Gran Vernel. Die Marmolada ist ein Berg für alle - vom gehfaulen Ausflügler bis zum Extremkletterer, der sein Können am »Weg durch den Fisch« testet. Klettersteigler steuern über die älteste Ferrata der Dolomiten den Gipfel an; Rotsockler pilgern über den Bindelweg, immer den Gletscher im Blick, historisch Interessierte folgen den Spuren des Gebirgskrieges 1915-17.

Beschreibung

Viel Betrieb rund um den höchsten Berg der Dolomiten also. Dazu trägt auch die Passstraße über den Fedaiapass bei, gleichermaßen beliebt bei sportlichen Bikern und solchen, die es vor allem auf eine Beschallung der Landschaft abgesehen haben. Wer dem Berg noch etwas näher kommen möchte, ohne sich anzustrengen, nimmt den Korblift zum Pian dei Fiacconi (2621 m). Da ist dann für alle »Schwächlinge« (fiacconi) Schluss; der Aufstieg zum Gipfel führt über den Gletscher oder über den Klettersteig am Westgrat.

Froschperspektive

Wir sind mindestens zwei Etagen tiefer unterwegs – und ganz allein. Denn (fast) alle gucken hier nach oben, auf Grate, Gipfel und Gletscher. Dabei bietet die Wanderrunde zwischen dem Pian Trevisan und dem Fedaiasee eine Vielzahl von packenden, auch überraschenden Eindrücken. Als elegante Pyramide zeigt sich aus unserer Froschperspektive der Gran Vernel (3210 m), als abweisend-wilder Riesenzahn mit plattig-steilen Flanken sein Vorbau, die Roda de Mulon (2882 m). Erstbestiegen wurde sie 1914 von einer der damals besten Seilschaften: Angelo Dibona, Luigi Rizzi und den Wiener Brüdern Mayer (Normalweg im IV. Grad). Sehr viel früher, im Jahr 1879, erhielt der Gran Vernel erstmals Besuch, auch von einer prominenten Alpinistengruppe: Cesare Tomè, der sich in der Marmolada auskannte wie kaum ein anderer, führte mit Giorgio und Battista Bernard den Münchner Gottfried Merzbacher auf den Gipfel. Merzbacher, u.a. Erstbesteiger der Cima dell’Uomo und der Schiara, verschlug es später in noch viel fernere Weltgegenden, in den Kaukasus und nach Zentralasien. Mittlerweile ist es still geworden um diese schönen Gipfel. Und um die Wege in ihrem Vorgelände. Alle Aufmerksamkeit gilt halt ihr, der Marmolada (3343 m). Dass sie vor hundert Jahren Frontgebiet war, dass Kanonendonner von den Felsen widerhallte, wissen wohl nicht mehr allzu viele von denen, die in Freizeitklamotten über den Staudamm von Fedaia flanieren, mal kurz innehalten für ein Selfie mit Gletschereis im Hintergrund. Der Weg, über den wir ins Vorfeld des Ghiacciaio aufsteigen, wurde im Krieg erbaut, er diente als Versorgungsweg und war für so manchen jungen Tiroler ein Weg in den Tod.

Ausgangspunkt der Runde ist der Parkplatz beim Rifugio Villetta Maria (1681 m). Im Wald geht’s zunächst leicht abwärts zum Avisio. Auf solider Holzbrücke quert man das (Gletscher-)Wasser und folgt der deutlichen Spur, die über ein paar Kehren gegen einen senkrechten Felsriegel ansteigt. Hier hilft ein komfortables Band weiter; im Zickzack gewinnt der Weg dann die Verzweigung am Pian de Scalet (2032 m). Weiter mit der Markierung 619 flach in den idyllischen Boden von Ciamorciaa. Links erhebt sich der latschenbewachsene Rücken des Col dal Baranchie; den Zugang zum Kar unter der Marmolada-Scharte bewacht der freistehende Felsklotz des Sas de la Ciaures (2511 m), Blickfang im Westen sind der Gran Vernel und die Roda di Mulon. Nicht ganz in diese Kulisse passt ein Betonbauwerk, zu dem man zwischen Latschendickicht aufsteigt. Hier wird Gletscherwasser gefasst und über einen anderthalb Kilometer langen, gemauerten Waal dem Fedaiasee zugeleitet. An diesem Spätsommertag tröpfelt es allerdings nur ganz schwach. Doch »stet’ger Tropfen höhlt den Stein« – das beweist der Mini-Canyon oberhalb der Wasserfassung, den das Bächlein in Jahrtausenden aus dem Marmoladakalk gewaschen hat.

Unter dem Gran Vernel

Den etwas verwaschenen Markierungen folgend, steigt man in dem offenen Geröllkar weiter an. Bei einem mächtigen Felsblock knickt der Weg nach links ab und leitet, teilweise auf natürlichen Bändern, flach zu einer Weggabelung (2205 m). Hier nicht rechts (Pian dei Fiacconi), sondern geradeaus – erst flach, dann in dem steinigen Gelände nochmals ansteigend – zum Gran Poz (ca. 2250 m), einem prächtigen Aussichtspunkt. Weniger schön sind die Erinnerungen, die sich mit diesem Platz verbinden. Hier ereignete sich im Dezember 1916 das größte Lawinenunglück der Alpenfront. Eine gewaltige Schneemasse ging am Gletscher ab und fegte in Sekunden ein großes Barackenlager der Österreicher hinweg. Einige der Hütten wurden bis zu einem halben Kilometer weit durch die Luft geschleudert, 300 Soldaten fanden den Tod. Makabres Detail: Der Kommandant von Gran Poz hatte zuvor mehrmals bei seiner vorgesetzten Dienststelle um die Erlaubnis zur Räumung des Lagers gebeten, was ihm schließlich die Androhung eines Kriegsgerichtsverfahrens eintrug…

Abstieg

Der Weiterweg leitet durch den Graben steil und zuletzt steinig hinunter zu der gemauerten ENEL-Leitung (ca. 2070 m). Man folgt ihr nur kurz, biegt dann auf den schmalen Weg ein, der mit einigem Auf und Ab zur Talstation des Marmolada-Korblifts führt: zurück im Alpen-Tourismusland. Die Begegnung ist von kurzer Dauer; am nördlichen Ende der Fedaiasee-Staumauer (2054 m) weist ein Schild nach links zum Weg 605: zurück in die Stille. Auf dem alten Passweg wandert man, zuletzt begleitet von den Stationen eines Kreuzweges, zurück zum Parkplatz beimRifugio Villetta Maria.

Touren-Charakter

Abwechslungsreiche Wanderrunde im Sockelbereich der Marmolada mit überraschenden Ein- und Ausblicken. Bis zum Fedaia-Stausee hoher Einsamkeitsfaktor

Ausgangspunkt

Rifugio Villetta Maria (1681 m), wenig oberhalb des Pian Trevisan, kurze Zufahrt von der Fedaia-Passstraße

Endpunkt

Rifugio Villetta Maria (1681 m), wenig oberhalb des Pian Trevisan, kurze Zufahrt von der Fedaia-Passstraße

Route

Gesamt 3.45 Std.; Aufstieg 2 Std., Abstieg zum Fedaiasee 45 Min., zurück zum Rifugio Villetta Maria

Höchster Punkt

Gran Poz (ca. 2250 m)

Information

Markierung SAT-Markierungen 619, 618 und 605

Museo della Grande Guerra

Bei den Italienern gilt er als großer vaterländischer Krieg, als Grande Guerra (1915–18), wozu nicht unerheblich die Propaganda der Faschisten unter Mussolini in den 1930er-Jahren beitrug. Das Kämpfen und Sterben an der Grenze zu Österreich-Ungarn war weniger heroisch, groß dafür die Verluste auf beiden Seiten der Hochgebirgsfront. Stellungen an der Nordflanke der Marmolada, die damals Frontgebiet war, sind jüngst rekonstruiert worden und können besichtigt werden (markierte Wege); das Museo della Grande Guerra am Fedaia-Stausee präsentiert Gegenstände aus dem Kriegsalltag, die der Marmolada-Gletscher im Lauf der Jahrzehnte freigegeben hat. Im Sommer täglich (außer Dienstag) von 10–12.30 und 14–17.30 Uhr geöffnet.

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