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Wanderung Dolomiten: Piz de Mezodì

Anspruch:
mittel
Dauer:
06:00 Std.
Länge:
7 km
Aufstieg:
1250 m
Abstieg:
1250 m

Die Monti del Sole - Wildnis unter südlicher Sonne. In den Monti del Sole zählt man gut ein Dutzend Gipfel mit einer Zwei in der Höhenkote vorn. Dass nur einer von ihnen einen markierten Zustieg aufweist, sagt einiges aus über diese Gebirgsgruppe, die sich zwischen dem Mis- und dem Cordévoletal aufbaut: wild, felsig, unzugänglich - und einmalig!

Der Hauptgipfel des Piz de Mezodì ist etwas höher als der kreuzgeschmückte Nordgipfel; links die Feltriner Berge und die Cimónega-Gruppe, rechts die Palawandern, mittel
Der Hauptgipfel des Piz de Mezodì ist etwas höher als der kreuzgeschmückte Nordgipfel; links die Feltriner Berge und die Cimónega-Gruppe, rechts die Pala© Eugen E. Hüsler, Manfred Kostner
Beschreibung

Wildnis

Manche Bergnamen, denke ich, sollte man als Warnung verstehen: Torre del Diavolo, Schneeberg. Oder Monti del Sole. Was ein Nordländer leicht als Einladung zum entspannten Bräunungsurlaub verstehen könnte, entpuppt sich als glutheiße Sonnenhölle. Der Schweiß rinnt in Strömen, was keinem stachelbewehrten, hungrigen Insekt entgeht. Die dünne Pfadspur wird von ekligem Gestrüpp gesäumt, verliert sich immer wieder. Rechts dräut ein veritabler Abgrund, links ragen kantige Felsen. Und am Himmel hängt die Sonne, bereit, das Menschenwürmchen in den Monti del Sole ordentlich zu grillen. Ich konzentriere mich auf den Weg, den Bauern oder Gamsjäger vor vielen Jahren angelegt, ausgetreten haben, verdränge die Frage: Was tue ich hier? Ernten werde ich nichts, höchstens starke Eindrücke; Zecken, Vipern, Dornen lauern am Weg, der keiner ist. Einsamkeit, Stille gibt’s im Überfluss, die wenigen Hütten hier sind längst verfallen, werden von der Natur wieder geschluckt, nach und nach dem Erdboden gleich. Über mir ragt eine senkrechte Mauer in den Himmel, rechts leitet ein grünes Band hinaus auf eine verwegen luftige Kanzel. Dahinter, hoffe ich, geht’s weiter, hinauf zur Scharte mit dem schönen Namen Forcella de i Pom. Exakt 1937 Meter hoch liegt sie, da fangen manche Bergtouren in den Alpen erst an. Ich bin schon über vier Stunden unterwegs, ziemlich fertig, kein kühlendes Lüftchen und immer weniger Schatten. Willkommen im »Parco Nazionale delle Dolomiti Bellunesi«! Wer hier unterwegs ist, liebt das Abenteuer, verfügt über echte Survival-Eigenschaften. Weit und breit keine einladende Hütte, nirgends ein kühles Bier, kaum Wege, dafür jede Menge Natur, Urnatur. Was Outdoor-Unternehmen auf ihren Hochglanzbroschüren in fernen Weltgegenden anpreisen – hier gibt es das ganz umsonst. Und wer heil wieder drunten im Tal ankommt, freut sich richtig – und braucht erst noch kein spezielles Equipment, um den nächsten Flughafen zu erreichen. Natur erfahren ist aber noch viel mehr. Das wird mir auf meinem einsamen Pfad immer klarer. Ich höre Vogelstimmen, keine Motorengeräusche, da raschelt es im Unterholz, ein Schmetterling setzt sich auf meinen Arm, saugt Salz. Ich bin Teil dieses Biotops, sogar Nahrungsquelle für einen Admiral.

Steiler Anstieg

Dem farbenprächtigen Edelfalter kann man auch beim Anstieg zum nördlichsten und höchsten »Sonnengipfel« begegnen. Eine bewirtschaftete Hütte gibt es unterwegs natürlich nicht, aber immerhin einen Weg, vom CAI markiert. Er startet an der Forcella Franche (990 m) und macht gleich die Richtung deutlich: hinauf! Anfangs verläuft der schmale Pfad im Waldschatten, dann flankieren ihn Latschen, was weniger Schatten und mehr Wärme bedeutet. Oberhalb einer Felsstufe flacht das Gelände kurz ab; von der mit Buchen bestandenen Anhöhe bietet sich ein bemerkenswerter Blick auf die Pala-Südostkette. Rechts zweigt eine unmarkierte Spur ab, geradeaus geht’s weiter zum Piz de Mezodì. Das bedeutet: erst einmal rund 500 steile Höhenmeter an dem Latschenhang. Im Hochsommer eine echte Prüfung für die Kondition und – vor allem! – für die Psyche. Denn das Weglein steigt ziemlich direkt durch diese »grüne Hölle« an, der Schweiß rinnt, du zählst die Schritte und hoffst auf ein Ende des Martyriums. Schließlich nimmt die Steilheit etwas ab; man betritt das Doppelkar unter dem Gipfel. Es wird durch einen namenlosen Felszacken geteilt. In seinem Rücken wechselt die Spur in den östlichen Karwinkel und quert hinüber zum Ansatzpunkt einer steilen Felsrinne. Sie entpuppt sich als Schlüsselstelle des Aufstiegs: erst gestufter Fels (I–II), anschließend lockeres Geröll hinauf in eine schmale Scharte. Nun recht luftig am Grat entlang zum Nordgipfel des Piz de Mezodì (2317 m) mit Kreuz. Fantastisch der Blick in die Wildnis der Monti del Sole mit den steinernen Zähnen des Feruch und seinen ungangbaren Gräben. Die Erstbesteigung des Berges geht – erstaunlich! – auf das Konto eines Münchners. Gottfried Merzbacher erreichte den Westgipfel (2240 m) im Sommer 1878, geführt von Santo Siorpaès. Der Piz de Mezodì (früher auch Pizzon) gilt als Wetterberg von Ágordo. In dem nordseitigen Kar, rund 400 Meter unter dem Gipfel, liegt eine große, nach unten hin offene Doline, die eine Art Schacht bildet. Steigen Nebelfahnen aus dem Bus de le Neole auf, weiß man im Tal, dass ein Wettersturz bevorsteht. Für den Abstieg, der entlang des Aufstiegsweges verläuft, können wir allerdings keinen Wettersturz brauchen…

Touren-Charakter

Nicht zu unterschätzende Gipfeltour, trotz des markierten Anstiegs. Teilweise sehr steil, im Sommer trotz Nordwestausrichtung sehr schweißtreibend (Latschen), einige etwas heikle Passagen (Fels, Geröll)

Ausgangspunkt

Forcella Franche (990 m), Straßenübergang vom Cordévole- zum Mistal

Endpunkt

Forcella Franche (990 m), Straßenübergang vom Cordévole- zum Mistal

Route

Gesamt 6 Std.; Aufstieg 3.30 Std., Abstieg auf dem gleichen Weg 2.30 Std.

Höchster Punkt

Piz de Mezodì, Nordgipfel (2317 m)

Information

Markierung CAI-Markierung 875

Knappen im Val Imperina

Am Fuß des Piz de Mezodì, im Val Imperina, wurde über Jahrhunderte hinweg nach dem kupferhaltigen Pyrit geschürft, was Ágordo einigen Wohlstand bescherte. Das Vorkommen galt zur Zeit der Serenissima als eines der bedeutendsten in Europa. Erst zu Beginn der 1960er-Jahre endete der Abbau, wurden die Anlagen stillgelegt und dem Verfall preisgegeben. Mittlerweile in Teilen restauriert, beherbergt die ehemalige Minenstadt ein Besucherzentrum des Nationalparks und ein Museum.

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