Wanderung Dolomiten: Forcella dei Camosci und Forcella della Rocca dei Bagni
Abenteuerlicher Osten in den Sextenern. Dass es auch in der Dolomitenkarte noch weiße Flecken gibt, Gegenden, in denen die Zahl vierbeiniger Bewohner jene der aufrecht gehenden Zweibeiner um ein Vielfaches übersteigt, beweisen die östlichen Ausläufer der Sextener Dolomiten, die dem Comelico zugerechnet werden.
Forcella dei Camosci – Gamsscharte
Der Name ist Programm, denn hinter dem Joch verbirgt sich eine weite Karmulde – das Cadin dei Bagni –, die man mit Fug und Recht als Gamsparadies bezeichnen darf. Gras zum Rupfen hat’s genug, Felsen fürs tägliche Training auch. Menschen verirren sich nur selten in diesen abgelegenen Winkel; der Zustieg ist eher mühsam, Modeberge gibt’s weit und breit keine. Ein neues, properes Schild unweit vom Rifugio Berti weist zwar zur Scharte und ins Cadin dei Bagni. Aber Vorsicht – das ist kein Wanderpfad für Rotsockler, die vielleicht schon mal dem Schlern aufs Haupt gestiegen sind oder vom Bindelweg zur Marmolada hinübergeschaut haben. Vierbeiner mit speziell gebauten, optimal haftenden Fußsohlen und einem Körpergewicht von etwa 20 Kilogramm fühlen sich in dem Höllenwinkel unter der Gamsscharte pudelwohl, Zweibeiner ohne intensives Training in Fels und lockerem Schutt tun sich da entschieden schwerer. So manche/r hat beim zweiten Blick ins Gelände die Segel gestrichen. Da lacht die Rupicapra rupicapra, der kein Fels zu steil, kein Schutt zu locker und kein Grasband zu schmal ist. Der viel- und abgenutzte Begriff »Trittsicherheit« gewinnt so eine ganz neue Qualität…Die Runde über dem Val Grande bietet große Eindrücke, auch Spannung, verläuft sie doch über insgesamt drei Scharten, die hier dem Hauptkamm der Sextener Dolomiten vorgelagert sind – ordentlich viel Auf und Ab und immer wieder wechselnde Ein- wie Ausblicke. Seit dem Sommer 2016 ist die Gegend zumindest ein wenig aus ihrem Dornröschenschlaf gerissen worden. Ein von Padola ausgehender Sessellift, der seine Bergstation am Col d’la Tenda (1945 m) hat, macht den Zustieg kürzer und bequemer. Beim Rifugio Berti werden allerdings nur wenige Wanderer ankommen; da hat die Natur an der Forcella dei Camosci einen Riegel vorgeschoben.
Ins Höllenloch
Die spannende Runde im Nordosten der Sextener Dolomiten beginnt mit dem Aufstieg vom Rifugio Lunelli (1568 m) zur Bertihütte. Der ehemalige Nachschubweg aus dem Ersten Weltkrieg – mittlerweile etwas ramponiert – schraubt sich in zahlreichen Serpentinen über die markante Talstufe hinauf zum Rand des Vallon Popera. Da steht auf einer Anhöhe das Rifugio Berti (1950 m) mit freier Sicht auf die schroffen Zinnen rundum, vom Neuner (2582 m) über die Rotwand und die Hochbrunnerschneid (3046 m) bis zum massigen Klotz der Cima Bagni (2983 m). Nicht zu übersehen ist auch die Wegspur, die vom Geröllboden des Risena-Bachs sanft gegen seine Sockelfelsen ansteigt. Dabei quert er eine Geröllreiße, deren helle Färbung deutlich signalisiert: Steinschlag! Immer wieder rauschen aus der Nordflanke der Cima Bagni Steine zu Tal, wird der schmale Pfad weggerissen, zerstört. Das letzte Mal im Sommer 2016 – ein Jahr später war er instand gestellt, mittlerweile ist er aber bereits wieder beschädigt.Die markierte Spur führt auf ein System von Bändern, die, teilweise stark ausgesetzt, in den wilden Felskessel unterhalb der Forcella dei Camosci (2101 m) leiten. Zuletzt geht’s durch eine Rinne steil hinauf in die Scharte.
Szenenwechsel
Unvermittelt tritt man aus der düster-verschattenen Enge in die sonnige Weite des Cadin dei Bagni: grüne Böden, darüber grauer Fels. Und am anderen Ende des versteckten Paradieses das nächste Zwischenziel, das (z. Zt. geschlossene) Bivacco Piovan (2090 m). Mit gut 100 Meter Höhenverlust durchwandert man das Kar nach Südosten und steigt dann hinauf zu dem Biwak. Dahinter öffnet sich ein weiterer Karwinkel, überragt vom markanten Felszahn der Punta Anna (2702 m). Der Weg steigt kurz ab, quert dann die steinigen Hänge hinüber zur Forcella della Rocca dei Bagni (2126 m). An der Scharte betritt man den Valon de la Sapada. Die markierte Spur steigt ab ins Talinnere, läuft dann hinaus in die licht bewaldete Buckellandschaft der Buse del Pinter (1807 m). Geleitet von der CAI-Markierung 164 wandert man – vorbei am seichten Lago Cadin – hoch über dem Val Grande taleinwärts. Nach einer längeren Querung unter dem Sasso di Selvapiana wird aus dem schmalen Pfad ein Ziehweg, der steil hinabführt zum Risena-Bach. Man quert ihn und steigt kurz hinauf zum Rifugio Lunelli. Von der Terrasse der Hütte bietet sich dann ein letzter Blick hinauf und zurück: in den düsteren Felswinkel unter der Gamsscharte, den man ein paar Stunden zuvor passiert hat – vielleicht mit etwas Herzklopfen. Wow!
Region
Touren-Charakter
Selten begangene Route im Vorfeld des Sextener Hauptkamms, die einige Anforderungen an Trittsicherheit und Psyche stellt. Schlüsselpassage ist der Zugang zur Forcella dei Camosci. Unbedingt vor Antritt der Tour im Rifugio Lunelli Informationen über den Wegzustand einholen; wegen der erheblichen Steinschlaggefahr Helm mitnehmen (und aufsetzen). Aus dem Cadin dei Bagni markierter Zwischenabstieg
Ausgangspunkt
Rifugio Lunelli (1568 m) im inneren Val Grande
Endpunkt
Rifugio Lunelli (1568 m) im inneren Val GrandeRoute
Gesamt 5.30 Std.; Rifugio Lunelli - Rifugio Berti 1.15 Std., Schartenweg bis in den Valon de la Sapada 2.45 Std., Rückweg 1.30 Std.
Höchster Punkt
Forcella dei Camosci (2101 m), Forcella della Rocca dei Bagni (2126 m)Information
Markierung Ordentliche CAI-Markierungen, Wegweiser
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Insbesondere bei GPS Daten können Abweichungen nicht ausgeschlossen werden.
Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung,
sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.