Bruckmann CMYK quer
Vergessene / Entdecker Pfade
wandern

Wanderung Dolomiten: Die Seiser Klamm

Anspruch:
schwer
Dauer:
07:30 Std.
Länge:
14.5 km
Aufstieg:
1450 m
Abstieg:
1450 m

Was für ein Schlund!. Um eineinhalb Kilometer überragt der Schlern das Dorf Seis - und das sieht man auch. Hoch ragt das Massiv in den Himmel, wie eine mit Türmen bewehrte Burg. Wer ihm aufs Haupt steigen will, kommt in aller Regel von Osten oder Süden. Aber von Norden, durch die wilde Seiser Klamm?

Beschreibung

Ein Berg mit vielen Gesichtern

Von der Seiser Alm aus zeigt der Schlern sein unverwechselbares Profil, das die Formenvielfalt der Dolomiten vorwegnimmt: schroffe Wände, ein riesiges Karrenplateau, davor frei stehend die beiden Türme, nach ihren Erstbesteigern Johann Santner (1880) und Gustav Euringer (1884) benannt. Oben am Petz (2563 m), dem höchsten Punkt des Massivs, waren Menschen schon lange vor Beginn unserer Zeitrechnung, was den Berg zu einem mystischen Platz macht, um den sich allerlei Legenden ranken. Wie das Märchen von den Schlernhexen, die in den Flanken des riesigen Bergstocks stehen und mit ihren rosa Blüten im Wind nicken: Armeriae alpinae, Alpen-Grasnelken. Dass sie verzauberte »Salige« sind, weiß drunten in Kastelruth oder Seis jedes Kind.

Kunst und Geschichte

Ein Blumenwunder ist der Schlern allemal, dazu Namensgeber in Geologie (Schlerndolomit) und Kultur (Zeitschrift »Schlern«) – ein berühmter Kletterberg allerdings nicht. Bestiegen wird er meistens von der Seiser Alm aus, das geht am bequemsten. Erheblich länger ist der Weg von Völs herauf; eine Herausforderung der besonderen Art bildet der Anstieg durch die Seiser Klamm. Da tut man gut daran, sich erst einmal einen Überblick zu verschaffen, am besten vom Kirchlein St. Valentin aus, das oberhalb von Seis in den Wiesen steht. Kunstfreunde besuchen es wegen der sehenswerten spätgotischen Fresken, bestaunen den wuchtigen, von einer Zwiebelhaube gekrönten Turm, gucken dann hinüber in den bewaldeten Hang am Fuß des Schlerns, wo die ausgebleichten Mauerreste der Burg Hauenstein zwischen den grünen Wipfeln aufragen: der Alterssitz des Oswald von Wolkenstein (um 1375 bis 1445) – weit gereister Renaissancemensch, Tiroler Rittersmann und Dichter. Verbittert schrieb er: »Was mir an Ehrung ward zuteil durch Fürsten, manche Königin und was ich so an Schönem sah, das büß’ ich ab in diesem Bau. Mein Unheil hier – es zieht sich lange hin!« Vor allem die Winter müssen auf Hauenstein einsam und kalt gewesen sein: kaum Sonne, und die »snestangen« (Schneestangen), die den Weg von der Burg ins Tal wiesen, versanken manchmal fast in der weißen Pracht.

Es ist Sommer, die Sonne scheint, und uns interessieren ganz andere, viel größere Steine: jene am Schlern. Genauer die Seiser Klamm, diese titanenhafte Schlucht, die den Bergstock buchstäblich spaltet: Links ragt die Santnerspitze (2413 m) wie eine versteinerte Flamme in den Himmel, rechts stehen breitmassig der Gabels Mull (2389 m) und dahinter der Jungschlern (2283 m). Am Fuß des Massivs ist die Seiser Klamm ein bewaldeter Graben, dann weitet sie sich zu einem Kar – Geröll und Latschen –, bevor die Felsen links wie rechts immer näher rücken, bis aus der Klamm eine schmale Rinne wird, in der sich mächtige Klemmblöcke verkeilt haben.

Hinein in den Schlund!

Der Aufstieg beginnt beim Parkplatz am Frötschbach auf einer Forstpiste, führt zunächst bergan zur Ruine Hauenstein (1225 m). Man folgt ihr weiter über ein paar Schleifen bis zu ihrem Ende (ca. 1380 m). Eine Spur leitet rechts in den Wald, wo man nach wenigen Metern auf ein aus dem Graben des Weißenbachs heraufkommendes Weglein stößt. Es führt weiter bergan, quert dann flach nach rechts. Bei einem mächtigen Felsblock, der westseitig umgangen wird, betritt man die ummauerte Seiser Klamm: himmelhoch aufragende Felsen links wie rechts. Nun möglichst im Schluchtgrund bergan. Ein sperrender Felsklotz lässt sich rechts über eine deutliche Spur umgehen; dann nimmt die Steigung vorübergehend ab. Vergleichsweise gemütlich geht’s weiter hinein in die Schlucht, die sich unter dem Gabels Mull gabelt. Die Kulisse ist von apokalyptischer Wildheit; die innerste Klamm erscheint aus der Froschperspektive wie zugemauert. Sie wird nach oben hin immer enger, ist zudem durch Klemmblöcke verrammelt: die Schlüsselstelle. Man steigt deshalb vor dieser unüberwindlichen Barriere aus der Schlucht rechts über eine steile Grasflanke auf zu einer rund zehn Meter hohen Felsstufe (II). Sie wird überklettert, dann kommt man in leichteres Gelände (I) und quert etwas höher ganz vorsichtig in dem heiklen Terrain nach links (Steinmännchen, Spur). Nach kurzem Abstieg in den Klammgrund geht’s steil aufwärts.

Vorsicht: Steinschlaggefahr!

Zwei weitere Hindernisse in Form mächtiger Klemmblöcke lassen sich von rechts nach links ohne größere Schwierigkeiten übersteigen. Der Untergrund wird nun zunehmend rutschiger. Man arbeitet sich mühsam weiter bergan, quert eine grasige Terrasse. Die Felsflanken rücken immer näher; die Schlucht ist stellenweise bloß noch einen Meter breit. An der 2400-Meter-Höhenkote entsteigt man ziemlich geschafft dem Schlund. Noch knapp 50 Höhenmeter über Gras und Schrofen, dann ist die Höhe des Schlern-Plateaus gewonnen: befreiende Weite statt beklemmende Enge, Aussicht zum Rosengarten und zum Latemar, nach Westen bis zum Ortler. Und anderthalb Kilometer tiefer, vor der Mündung der Klamm, eingebettet ins Wiesengrün, liegt das Dorf Seis.Ein paar Meter südlich unterhalb der Gratkante läuft der Schäufelesteig hinüber zu dem bereits sichtbaren Schlernhaus. Alternativ kann man – Steigspuren folgend – über den Westgrat des Petz direkt zum höchsten Punkt des Schlern (2563 m) aufsteigen. Die Aussicht verdient locker drei Sterne und ist bei schönem Wetter vielfarbig: grün (die Täler), weiß (die Gipfel und Gletscher von Adamello, Ortler, Ötztaler, Stubaier und Zillertaler Alpen), braun (die Sarntaler Alpen), grau (die Dolomiten, vom Peitlerkofel über Geislerspitzen, Langkofel, Marmolada, Rosengarten bis zum Latemar).

Abstieg über den Gamssteig

Vom Schlernhaus (2450 m) führt der Touristensteig über das Hochplateau sanft bergab zum nordostseitigen Abbruch des Bergstocks. Hier zweigt links (Tafel) der Gamssteig ab. Er verläuft teilweise über Bänder, ist mit viel Geröll garniert und verlangt deshalb – wie der Name suggeriert – einen sicheren Tritt. Über eine kleine Felsstufe hilft ein solides Drahtseil. Unter dem Burgstall kommt man aus den Felsen heraus; der Gamssteig taucht in den Wald ein und führt steil hinunter zur malerisch gelegenen Schlernbödelehütte (1726 m) mit Prachtblick auf die beiden Schlerntürme. Angenehm schattig geht’s weiter bergab; am Frötschbach stößt man auf den Proßlinersteig (Abstiegsvariante, etwas weiter, aber bequemer). Er läuft hinaus zum Hotelkomplex von Bad Ratzes (1212 m), wo man sich früher von allerlei Zipperlein gesundbadete. Einen Kilometer weiter talabwärts schließt sich bei dem kleinenParkplatz (1110 m) die Runde: durch einen Höllenschlund bis an den Saum des Himmels. Das hätte dem (jungen) Wolkensteiner – ein richtiger Draufgänger – bestimmt gefallen…

Touren-Charakter

Anspruchsvoller Aufstieg, in der Klamm weitgehend weglos mit Kletterstellen (II, I). Nur für gute Bergsteiger mit stabiler Psyche, im oberen Teil der Schlucht erhebliche Steinschlaggefahr (Helm!). Teleskopstöcke vorteilhaft, die Schlucht sollte auf jeden Fall schneefrei sein. Abstieg markiert, am Gamssteig viel Geröll und leichte Felsstufen

Ausgangspunkt

Parkplatz am Frötschbach (1110 m)

Endpunkt

Parkplatz am Frötschbach (1110 m)

Route

Gesamt 7.30 Std.; Parkplatz Frötschbach - Seiser Klamm - Schlernhaus 4.15 Std., Abstecher Petz 30 Min., Schlernhaus - Gamssteig - Parkplatz 2.45 Std.

Höchster Punkt

Petz (Schlern, 2563 m)

Information

Markierung In der Seiser Klamm einige Steinmännchen, Gipfelweg und Abstieg markiert

Lust auf mehr?
Vergessene Pfade Dolomiten
Erlebe alle Touren aus dem Guide!
Es gibt auch stille Winkel in den Dolomiten, Einsamkeit und vergessene oder nur selten begangene Pfade. Mit diesem Führer finden Sie diese Routen.
Bitte beachten!

Für die Richtigkeit und Aktualität der Angaben kann trotz größtmöglicher redaktioneller Sorgfalt keine Haftung übernommen werden. Insbesondere bei GPS Daten können Abweichungen nicht ausgeschlossen werden.
Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung, sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.