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Wandern Tiroler Zugspitz Arena: Wiener-Neustädter Hütte

Anspruch:
mittel
Dauer:
05:30 Std.
Aufstieg:
1000 m
Abstieg:
1000 m

Ruhiger Winkel mit Tiefblick. Nähert man sich vom Ehrwalder Talbecken aus der Zugspitze, zeigt sich ihre wilde Westflanke als gewaltige Felsmasse. Bis zu 2000 Meter ragt sie aus dem Tal empor. In ihrer Kompaktheit wirkt sie wie ein unbezwingbarer Monolith, umkränzt von grünen Latschenhängen an ihrem Fuß.

Beschreibung

Hinter der Nordwestflanke der Zugspitze verbirgt sich ein unwirtliches, raues Kar. Weil es sehr lange schneeweiß über längst grünen Tälern leuchtet, wird es Österreichisches Schneekar genannt. In diesem ruhigen Winkel versteckt sich die Wiener-Neustädter Hütte auf 2209 Meter Höhe vor allzu viel Besuch.

Versteckt und einsam im Schneekarwinkl 

Mit ihrer unauffälligen, niedrigen Bauweise und dem flackernden Gaslicht am Abend ist sie eine echte Bergsteigerhütte geblieben. Ein wenig wirkt sie wie aus längst vergangener Zeit – etwas anachronistisch, wenn man die Verhältnisse etwas weiter oben am Zugspitzgipfel kennt. Umso mehr kann man hier die Ruhe und die Freundlichkeit der Hütten-Crew schätzen und genießen. Nicht zu vergessen die anderen kleinen Dinge, die das Leben hier verschönern. Damit ist nicht nur das ausgeschenkte Bier gemeint, sondern der faszinierende Sonnenuntergang, den man vom Ehrwalder Kopf aus genießen kann – der Blick auf Mieminger, Lechtaler und Ammergauer Berge im goldenen Abendlicht sucht seinesgleichen, auch wenn man dazu einige Meter laufen muss.

Unten Eibsee, oben Stopselzieher 

Die kann sich sparen, wer sich mit dem Tiefblick auf den türkisblauen Eibsee begnügt oder seinen Blick über den Stopselzieher-Klettersteig nach oben zur Zugspitze lenkt. Dabei streift das Auge die 800 Meter hohe Westwand der Zugspitze, durch die der mit A/B bewertete, eher leichte Klettersteig führt, bevor er oben am Grat auf den Normalweg trifft. Meist kann man Bergsteiger als kleine Punkte ausmachen, die sich langsam den Fels hinauf- oder hinuntermühen. Den Namen »Stopselzieher« trägt der Steig übrigens, weil im unteren Bereich ein höhlenartiger Durchschlupf überwunden werden muss.Eine Berghütte wie aus dem Bilderbuch 

Wenn man diese Hütte betritt, fühlt man sich irgendwie gleich zu Hause. Die holzgetäfelte Stube mit dem alten Küchenbüfett und den vielen Bildern könnte auch daheim im eigenen Reich stehen. Ein alter grüner Kachelofen wärmt, und antike Gaslampions verbreiten ein heimeliges Licht. Im Gastraum der Hütte befindet sich auch ein kleines Museum mit alpiner Ausrüstung wie Skiern, Schuhen, Steigeisen, Pickel und Seil. Aber auch Hüttenutensilien und Werkzeuge wie Säge, Messer und Beil hängen an der Wand. Interessant sind die uralten, rostigen Weg- und Hüttenschilder – der Weg auf die Zugspitze wird dort noch mit »2 Stunden« angegeben.

Ein Waschraum und Komposttoiletten sind ebenfalls vorhanden. Gemütliche Doppel- und Dreibettzimmer im Haupthaus und Viererzimmer im Schlafgebäude nebenan stehen zur Verfügung. Die Wasserversorgung erfolgt aktuell aus einer Quelle mit Speicher und einer UV-Desinfektionsanlage. Eine Photovoltaikanlage erzeugt Strom, und eine thermische Solaranlage sorgt für die Beheizung der Hüttenräume. Die Materialversorgung erfolgt durch Gondeln der Tiroler Zugspitzbahn, deren Trasse genau über der Hütte verläuft. Dazu wird die Bahn kurz vor der Hütte angehalten und werden mittels einer installierten Seilwinde die Versorgungsgüter rund 40 Meter abgeseilt.

Geschichte der Hütte 

Nachdem der Klettersteig durch das Österreichische Schneekar zur Zugspitze gesichert wurde, beschloss die Sektion Wiener Neustadt 1883, eine Schutzhütte zu errichten. Im September 1884 konnte die Wiener-Neustädter Hütte

dann eröffnet werden, ab 1886 erfolgte eine Bewirtschaftung. Während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit sah sich die Sektion wegen sinkender Einnahmen nicht mehr dazu in der Lage, die Hütte zu erhalten, und suchte einen Käufer. 1954 übernahm die Zentrale des ÖTK in Wien die Betreuung und Verwaltung der Hütte. In der Folgezeit wurden grundlegende Sanierungen und Modernisierungen durchgeführt.

Der Hüttenzustieg 

An heißen Sommertagen bietet der Aufstieg an der Westflanke der Zugspitze einige Vorteile: Es ist ruhig, die Tour ist leichter als der Höllentalanstieg, und es ist zumindest morgens schattig. Dieser Weg ist die goldene Mitte der drei Aufstiege zur Zugspitze.

Wir starten am Parkplatz der Tiroler Zugspitzbahn (1228 m). Ein Weg führt gemächlich durch die Skischneise im Wald. Nach dem schönen Bergwald wird es schnell steil im Gamskar. Über uns stehen einzelne Latschen im Geröll, und die 1000 Meter hohen Felswände von Zugspitze, Zugspitzeck und Schneefernerkopf, die drei höchsten Gipfel Deutschlands, erheben sich rundherum. Über eine Schuttreiße und zahlreiche Geröllbänder schlängelt sich der Weg weiter durch die Flanke des Gamskars bis zum felsigen Westgrat. Unter der Bahn führt jetzt der teils mit Drahtseilen gesicherte Steig hinauf.

Auf steilen, ausgesetzten Steigen verlassen wir den Rücken wieder und wandern durch die Nordhänge des Ehrwalder Kopfs. Dann erblicken wir im Norden unter uns den tiefblauen Eibsee, ehe der Steig nach rechts biegt und schließlich das eindrucksvolle Österreichische Schneekar und darin die Wiener-Neustädter Hütte erreicht. Zum Zugspitzgipfel sind es von hier aus übrigens noch gut 3 Stunden und 760 Höhenmeter.

Touren-Charakter

Schmale, teils steile und schottrige Wanderwege

Ausgangspunkt

Parkplatz an der Talstation der Tiroler Zugspitzbahn

Endpunkt

Parkplatz an der Talstation der Tiroler Zugspitzbahn

Der Weg durch die Westflanke

Nur durch Zufall wurde der Weg durch die unzugängliche Westflanke der Zugspitze entdeckt. Der Jagdgehilfe, ein Bauer aus Farchant, wollte 1851 bei der Errichtung des ersten Gipfelkreuzes mit dabei sein und marschierte nachts mit seinem Hund bis auf die Zugspitze. Nachdem dieser sich die Pfoten wund gelaufen hatte, packte der Mann ihn in seinen Rucksack. Mittags verabschiedete er sich von seinen Bergkameraden und tat ihnen kund, über die weglose Westflanke den Eibsee erreichen zu wollen. Das erstaunte die Kreuzbauer sehr, denn bis dato gab es keinen Weg durch die steile Westflanke. Der Jäger stieg dennoch vorsichtig den heutigen Stopselziehersteig durch Geröll hinunter, bis er über dem Schneekar endlich eine steile Felsplatte erreichte. Diese rutschte er waghalsig entlang bis zum oberen Rand. Dort bot sich ihm der schlimmste Anblick seines Lebens, wie er berichtete: 20 Fuß unter ihm lag ein Abgrund, über ihm der stundenlange Rückweg zum Gipfel. Was tun? Er beschloss, seinen Hund hinab in den Schnee zu werfen. Dem tat es keinen Schaden, und so warf er sein Doppelgewehr hinterher und sprang todesmutig hinab. Keiner nahm dabei Schaden, und nachdem sie auch noch den steilen Weg vom Schneekar hinabfanden, hatte das Ganze ein glückliches Ende gefunden. Es dauerte aber dennoch bis 1871, bis der Weg endgültig versichert wurde.

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