Bruckmann CMYK quer
Mystische / Geheimnisvolle Pfade
wandern

Wandern Harz: Über den Hirtenstieg auf den Brocken

Anspruch:
schwer
Dauer:
07:00 Std.
Länge:
24 km
Aufstieg:
750 m
Abstieg:
750 m

Aus nebligen Tälern ins Licht. Diese Wanderung gehört zu den Highlights im Harz. Ihren größten Zauber gewinnt sie an ruhigen Tagen im Herbst oder Winter. Dann sammelt sich oft die kältere, schwerere Luft in den weiten Mulden des Umlandes und in den Tälern und verdichtet sich dort zu Nebel. Darüber bleibt dann die etwas wärmere und leichtere Luft und die Gipfelkuppe des Brockens liegt über einem Wolkenmeer in der Sonne. Dann ist es ein Fest, dort hinaufzusteigen.

Beschreibung

Vom Radauwasserfall zur Eckertalsperre   

Markanter Startpunkt ist der Radauwasserfall. Er wurde zwar durch eine Wasserableitung vom Radaubach über den Felsen künstlich geschaffen, aber das ist mehr als ein Jahrhundert her. Moose, Flechten, Farne, Gräser und Kräuter haben sich mittlerweile hier angesiedelt und ein kleines vitales Biotop gebildet. Im Winter wachsen bei Frost zusätzlich Eisglasuren und Eiszapfen zu entzückenden fragilen Säulenreihen und Girlanden heran. Wir gehen vom Fuß des Wasserfalles rechts einen Weg hinauf zum Wassergraben und an diesem entlang taleinwärts. Nach der Einmündung des Zuflusses leitet der Weg weiter am Bach entlang, an den gegenüberliegenden Zollhäusern vorbei, und wir gelangen zu einer Abzweigung nach links. Wir folgen diesem teils nassen, aktuell ausgewaschenen Weg in einem Tälchen steiler bergan, queren zwei breite Querwege und erreichen eine asphaltierte Forststraße. Diese bringt uns in gleicher Richtung hinauf zum Straßendreieck mit der  Hütte Luisenbank. Bei ruhigem spätherbstlichem oder winterlichem Wetter gehen wir dieses Wegstück im stumpfen Grau oder sogar im Nebel. Das hilft jedoch zum bewussteren Wahrnehmen der nahen Dinge, der vielleicht sogar bereiften Kräuter und Sträucher am Weg, der Baumsilhouetten, der Steine im Bach. Bei Frost müssen wir allerdings auf die Glätte achten.

Wir gehen rechts abwärts gen Eckertalsperre. In einem Tälchen leitet die Straße über einen Bach und wir nehmen den mittleren der weiterführenden Wege. Nach einem Holzbrunnen gehen wir – bei Glätte sehr vorsichtig! – über eine Rampe und steile Treppen hinab zur Krone der  Staumauer.

Vom Eckersee zum Brockengipfel   

Beim Gang hinüber begegnen wir dem vom Zahn der Zeit angeknabberten historischen schwarz-rot-golden angemalten Grenzpfahl. Im Kalten Krieg verlief hier die Grenze zwischen zwei Welten, und wir können jetzt mit unserem ungestörten Vorbeigehen die Wandelbarkeit politischer Regelungen erleben. Und lernen: Nichts in unserer Welt ist für ewig, auch nicht sehr mächtig auftretende Mächte. Aber auch die Selbstverständlichkeiten von heute können vergehen. Carpe diem ...

Nebenan dehnt sich der Stausee, immer wieder anders in den Farben und im Spiel des Windes und der Wolken. Wenn wir Sicht haben, dann ist mit dem Ende der Staumauer auch der Brocken ins Blickfeld gekommen. Aber selbst wenn er von Wolken verborgen bleibt, ist der Weg offensichtlich. Wir gehen immer etwas oberhalb des Stausees nach rechts. So queren wir ein Tälchen, dann einen Bergsporn, wieder ein Tälchen (wo etwas oberhalb eine Wanderhütte und ein Denkstein für einen Altvorderen des Harzklubs stehen), queren noch einen Bergsporn und ein weiteres Tälchen. Nochmals einen Kilometer danach steigen wir auf einem überwurzelten Weg nach links auf und gelangen über eine Wiese, an der Ruine des früheren Viehhofs Scharfenstein vorbei, zu einer breiteren Straße. Sie war Teil der grenzparallelen Betonstraße der Grenztruppen. Heute sind hier die Betonplatten wieder ab­geräumt. So gelangen wir hinauf zum  Scharfensteinsattel (635 m, immer noch 500 Höhenmeter unter dem Brockengipfel). Hier steht neben dem gelungen renaturierten ehemaligen Kasernenstandort das gemütliche Blockhaus einer Rangerstation des Nationalparks.

Nun folgen wir auf der Trasse des alten historischen Hirtenstiegs der soliden Lochplattenstraße steiler hinauf. Etwa 100 Meter höher mündet bei einem Rastplatz mit Tisch und Bänken bei der  Hermannnsklippe von links der Heinrich-Heine-Weg. Die Plattenstraße wird noch etwas steiler und wird teils von kleinen Rinnsalen gequert. Bei Frost entstehen hier Eisglasuren. In einem weiten Bogen nach rechts erreichen wir hinter aufkommenden Fichten die  Bismarckklippe. Weiter oben biegt die Straße scharf nach links und führt zu einer Wanderhütte. Wir sind nun auf 950 Meter Meereshöhe. Und wenn wir Glück haben, dann können wir schon hier über uns im Nebelgrau blaue Flecken sehen und plötzlich in der Sonne stehen. Dann wird in der Gegenrichtung vielleicht unser Schatten in einem schillernden Halo als Brockengespenst auf die nahen Nebel geworfen – immer wieder ein eindrucksvolles spukiges Spiel der physikalischen Gesetze.

Mit jedem Meter Aufstieg steigt die Wahrscheinlichkeit, die Obergrenze der Wolken zu erreichen. Auch wenn wir vielleicht bis zum flacheren Absatz des Kleinen Brockens warten müssen, oder bis zur querenden Bahnlinie bei 1100 Meter Höhe. Oder auch bis ganz oben, zu den Felsblöcken auf der höchsten Kuppe des Brockengipfels. Dort ringsum in der Sonne über dem Nebelmeer zu stehen, das ist wirklich zum Abheben unvergesslich.

Über Eckersprung und Skidenkmal zurück

Wenn wir nicht wie üblich den gleichen Rückweg nehmen wollen, gehen wir erst im oft ernüchternd dichteren Trubel auf der Brockenstraße nach Osten und Süden hinab bis zur Querung der Bahnlinie. Neben dieser bringt uns nun der Neue Goetheweg ein langes Stück westwärts entlang der Bahn tiefer. Von einem mit Holzsitzen dekorierten Platz führt der Weg als Plattenstraße westwärts steiler hinab (im Winter oft über Eis). Weiter unten gehen wir mit dem Goetheweg nach rechts zur Wanderhütte beim Rastplatz Eckersprung im flachen Sattel zwischen dem Brocken und dem Quitschenberg.

Hier verlassen wir den Goetheweg und gehen nordwärts den steinigen und matschigen, teilweise auch lästig bewässerten Weg zum Eckerbach hinab. Immer nahe diesem folgen wir zunächst dem teils grob gepflasterten Weg am östlichen Talhang über einen Kilometer hinab bis zu einem Wegweiser. Hier gehen wir nach links in Richtung Torfhaus über eine oft glitschige Treppe und Brücke auf das westliche Ufer des Baches. Dort steigen wir zuerst kurz steil an und folgen einem hübschen schmalen Weg bis zu einem Platz bei festen Forstwegen. Nun halten wir uns rechts, nordwärts in Richtung Eckerstausee. Der anfangs schmale und wenig befestigte Weg wird später zu einer festeren Straße und erreicht nach einer Holzbrücke eine breite Straße. Diese leitet etwas öde weiter zur Wanderhütte am hierher verpflanzten Skidenkmal.

Hier gehen wir nach rechts hinab zum Pionierweg, der dicht oberhalb der nun schon ganz ansehnlichen Ecker verläuft. Er bringt uns nordwärts weiter zum Stausee. Der See ist zwar durch einen großen Eingriff in die Landschaft entstanden, bietet aber den Wandernden immer wieder neue stimmungsvolle Anblicke. Je nach der Nachfrage nach Wasser schwankt der Wasserspiegel. Dies kann im Winter den Effekt haben, dass verschiedene Etagen von Eisdecken entstehen. Diese sind natürlich von sehr unterschiedlicher und allemal völlig unkalkulierbarer Festigkeit und bilden ein fragiles Labyrinth. Es versteht sich also von selbst, die Eisdecke des Stausees nicht zu betreten! Wir folgen dem Weg nahe dem Wasser, ohne nach links aufzusteigen. Zuletzt zwei kleine Seitentälchen querend, erreichen wir schließlich die Zufahrtsstraße zur Staumauer. Damit sind wir wieder auf der vom Aufstieg bekannten Route und folgen ihr zurück zum Wegekreuz Luisenbank und hinab zum Radauwasserfall.

Region

Touren-Charakter

Großartige, recht lange Rundwanderung auf teils festen, teils angenehmeren, teils auch ruppigen Wegen. Bei Vereisung sind Grödel für sicheren Tritt sehr zu empfehlen.

Ausgangspunkt

Der Radauwasserfall bei der Gaststätte 100 m nördlich des Parkplatzes

Die Eckertalsperre im Wandel der Zeiten

Die bereits in den 1930er-Jahren als Hochwasserschutz und zur Trinkwasserversorgung der Städte des Vorlandes geplante Eckertalsperre wurde im Kriege, auch unter Einsatz von Häftlingen und Kriegsgefangenen, gebaut und 1943 fertiggestellt. Wegen der Grenzlage war sie Streitobjekt zwischen BRD und DDR. Ab 1970 gelang eine Kooperation zum Weiterbetrieb der Sperre und der Fernwasserleitungen, die auch bis 1989 trug. Das gestaute Wasser ist wegen der kristallinen Gesteine des Einzugsgebietes und des sauren Regens besonders sauer, ergibt jedoch mit Zusatz von Kalk ein sehr gutes Trinkwasser.

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