Wandern Europa: Vom Rißtal zum Karwendelhaus
Der Übernachtungsort Vorderriß ist der nördliche Zugang ins Herz des Karwendelgebirges. Auf einer Fläche von über 900km2 ist außer dem Jäger- und Holzfällerort Hinterriß keine ganzjährig bewohnte Siedlung zu finden und - Gott sei's gedankt - auch keine Durchgangsstraße. Dieses oft als menschenfeindlich bezeichnete Reich der steilen Felswände und stillen Hochkare, der tiefen Jagdgründe und uralten Zirbelwälder ist in Wahrheit ein echtes Erholungsparadies für Lärm- und Stressgeschädigte.
Der Wegverlauf
Die ersten elf Kilometer hinein ins Rißtal bleibt uns die Fahrstraße leider nicht erspart. An Wochenenden empfiehlt es sich, früh aufzustehen, um dem motorisierten Ausflugsverkehr zu entgehen. Bis zu 10 000 Fahrzeuge täglich muss die Natur an schönen Wochenenden im Sommer und Herbst manchmal verkraften, eine Folge der ungebremsten Kommerzialisierung der Eng. Ein paar »Schleichwege« gibt es erfreulicherweise aber doch, sodass wir wenigstens stellenweise dem Autoverkehr ausweichen können.Gleich nach dem Aufbruch in Vorderriß leitet auf der linken Seite ein Wiesenweg hinauf zur Kapelle und den Forsthäusern. Dort beginnt ein parallel zur Straße verlaufender Wirtschaftsweg. Erst nach etwa 2,7 km zwingt uns dann der Bergfuß des Grasköpfls hinunter auf die Teerstraße (0:45 Std.). Nicht ganz 500 m weiter können wir linksseitig wieder für ein kurzes Stückchen den Autos entkommen.
Nach einer guten Stunde haben wir die Oswaldhütte erreicht. Unweit von hier befindet sich das 1948 erbaute Rißbachwehr. Von dort gelangt das Wasser in unterirdischen Stollen zum Niedernachkraftwerk am Walchensee. Unterwegs werden noch andere Bäche eingeleitet sowie die Isar und die Straße Vorderriß-Wallgau unterquert. Jetzt ist es nicht mehr weit bis zur österreichischen Staatsgrenze (1:30 Std.).
Ungefähr einen Kilometer danach beginnt unser längster Seitenweg. Bevor die Autostraße erneut auf die östliche Bachseite wechselt, halten wir uns an den westseitig flussaufwärts ziehenden Wirtschaftsweg. Bei der Weggabelung nach etwa drei Kilometern gehen wir nicht hinunter zu der Rißbachbrücke, sondern wandern rechts weiter. Erst unmittelbar vor Hinterriß (2:30 Std.) endet auch dieser erholsame Wanderabschnitt. Die dortige Ansiedlung besteht im Wesentlichen aus einem ehemaligen Jagdschlössl des Herzogs von Coburg, einigen Forsthäusern, zwei Gasthöfen und dem Zollhaus. Die kleine Kirche wurde zur Fuggerzeit von den Knappen erbaut, als hier für die verschiedenen Erzbergwerke in den Tälern eine Schmelze bestand.
Wir verlassen den Ort auf der Straße in Richtung Eng, zweigen aber beim ersten Wirtschaftssträßchen rechts ab und folgen dem Talverlauf auf dem markierten Weg Nr. 231. Um Stuhlberg und Luchsegg herum biegen wir ins Johannesbachtal ein. Bei der verfallenen Johannestalalm (4:30 Std.) treffen wir auf einen Forstweg, der uns weiter in bequemer Steigung hoch über dem Gebirgsbach durch das Johannestal zum reizvoll gelegenen Kleinen Ahornboden (1400 m, 5:45 Std.) bringt. Auf das einfache Denkmal Hermann von Barths, das an diesem schönen Ort einen würdigen Platz gefunden hat, schauen die stolzen Berghäupter, die er einst bezwang: die Zinnen der Nördlichen Sonnenspitze, der Moserkarspitze, der Kaltwasserkarspitze und der Grabenkarspitze. Er bestieg in den Jahren 1870/71 insgesamt 88 Karwendelgipfel, davon zwölf als Erstbesteiger. 1874 erschien sein berühmtes Buch »Aus den Nördlichen Kalkalpen«, das auch heute noch eine interessante Lektüre ist.
Vorbei am Pürschhaus, längs eines trockenen Grabens, dann steiler durch steinige Mulden und Wald führt der als Europawanderweg E4 markierte Pfad in freie und latschenbewachsene Hänge und schließlich über den Hochalmsattel (7:15 Std.) zur Alpenvereinshütte Karwendelhaus (7:30 Std.). Sie ist Stützpunkt für die Besteigung der Ödkarspitzen, der Östlichen Karwendelspitze und natürlich der Birkkarspitze, der höchsten Erhebung des Karwendels.
Unterwegs auf alten Karwendelsteigen
Hier noch der Geheimtipp für Pfadfinder und erfahrene Alpinisten: Die direktere und interessantere Verbindung von Vorderriß zum Karwendelhaus führt über das Fermersbachtal, die Fereinalm bzw. Krinner-Kofler- Hütte und die Bärnalpl-Scharte (1769 m). Gute Verhältnisse, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sowie eine große Portion Orientierungssinn sind für die lohnende Begehung Voraussetzung.
Region
Ausgangspunkt
Vorderriß; N47 33.546 E11 26.145
Endpunkt
Karwendelhaus; N47 25.632 E11 25.302Wegbeschaffenheit
Im ersten Streckenabschnitt teils auf Fahrstraßen, dann breite Wanderwege
Information
Markierung: Ab Hinterriß Weg-Nr. 231 bis zum Ahornboden, ab dort Markierung E4
Freud & Leid
Die heutige Etappe kann durch eine Busfahrt abgekürzt werden, denn von Vorderriß nach Hinterriß fährt zur Hauptsaison ein Linienbus. Man spart dadurch 2:30Std. Gehzeit entlang der Fahrstraße und hat so vielleicht auch noch etwas Zeit für das Besucherzentrum Alpenpark Karwendel in Hinterriß.
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Insbesondere bei GPS Daten können Abweichungen nicht ausgeschlossen werden.
Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung,
sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.