Wandern Dolomiten: Über das Pala-Hochplateau
Die Wanderung über das Palaplateau könnte man auch als eine Reise zum Mond bezeichnen - ganz so weit ist sie allerdings nicht. Immerhin: Sie führt aus den grünen Talniederungen hinauf in eine ausgebleichte, knochentrockene Steinwüste. Eine Tour starker Eindrücke und weiter Wege.
Der Anstieg durch das Val delle Comelle hat Treppenprofil, auf Steilpassagen folgen jeweils flachere Abschnitte, was recht angenehm ist, die Gehzeit aber erheblich verlängert. Fast die Hälfte der rund 1200 Höhenmeter zur Rosettahütte wird gleich zu Beginn fällig, doch der Weg von der Capanna Cima Comelle zum Pian delle Comelle ist sehr abwechslungsreich, sodass hier (noch) keine Müdigkeit aufkommt, Langeweile schon gar nicht. Zunächst geht’s überwiegend schattig bergan gegen die Cascata di Gares, die über eine senkrechte Felsstufe herabstiebt und vor allem im Sommer ein beeindruckendes Schauspiel abgibt.
Der Weiterweg überwindet die beachtliche Fallhöhe in einem weiten Bogen. Am Ansatzpunkt des Wasserfalls betritt man den Orrido delle Comelle, eine schmale Klamm, vom Wasser in Jahrtausenden aus dem Schlerndolomit gewaschen. Eine solide Brücke leitet über den Bach, im Rückblick zeigt sich sehr schön der grüne Zackengrat der Cima di Pape (2503 m). Über Bergsturztrümmer und Geröll geht’s in der Klamm aufwärts, teilweise mit Hilfe von kurzen Leitern und Drahtseilsicherungen. Im Frühsommer liegen hier meistens noch Lawinenreste. Bald darauf verstummt das Gurgeln und Rauschen des Wassers: die Karstquelle der Lierna liegt hinter uns. Nach einem Kilometer öffnet sich die Schlucht zu dem lang gestreckten Schotterboden des Pian delle Comelle (1:45 Std.), den hohe Felswände flankieren. Rechts bietet sich kurz ein Blick in das Val Grande, über dem – ganz weit hinten – die Cima del Focobòn (3054 m), ein Dreitausender der Pala-Nordkette, thront.
Drahtseile sichern den Anstieg über die nächste markante Talstufe. Nach einem flacheren Intermezzo steigt der Weg nochmals kräftig zum Pian dei Cantoni (4:00 Std.) an, wo der Sentiero delle Farangole mündet. Wiesengrün ist jetzt weitgehend aus der Kulisse verschwunden, es dominiert Felsgrau, auf dem Weg liegen kalkweiße Steine: Knochensplitter der Erdkruste.
Während des letzten Anstiegs zum Plateaurand weitet sich der Horizont ein wenig, kommen die Gipfel der Pala-Nordkette ins Blickfeld. Die Cima della Vezzana (3192 m) markiert dabei den höchsten Punkt. Berühmter und ungleich schöner ist der Cimòn della Pala (3184 m), der gelegentlich als »Matterhorn der Dolomiten« apostrophiert wird. Vor allem von den Wiesen oberhalb des Rollepasses regt der Anblick des eleganten Felshorns durchaus zu einem Vergleich mit dem berühmtesten Berg der Alpen an. Erstbestiegen wurde der Cimòn della Pala im Sommer 1870 von den beiden legendären Führern Santo Siorpaës aus Cortina d’Ampezzo und Christian Lauener aus dem Berner Oberland, die den Engländer E. R. Whitwell am Seil hatten. Mit der Stille am Anstiegsweg ist es dann bald vorbei. Im Umfeld der Rosettahütte (5:00 Std.) tummeln sich die Ausflügler, und bei schönem Wetter ist die Terrasse des Hauses stets gut besetzt.
Wer noch genügend Atem hat, sollte den Abstecher zur Rosetta (2743 m) nicht versäumen, bietet der felsige Gipfel, der, einem Schiffsbug ähnlich, über dem Cismontal aufragt, doch eine zu Recht viel gerühmte Rundschau. Von hoher Warte aus überschaut man auch das gesamte Palaplateau bis hinaus zu den Pale di Balconi, die ihren Namen durchaus zu Recht haben, markieren sie doch den nordöstlichen Rand des Altipiano, das über steile Felsflanken in die Täler von Angheraz und Reiane abfällt. Dass sich in dieser steinig-lebensfeindlichen Landschaft ein paar Seeaugen verbergen, überrascht schon, auch angesichts des löchrigen Dolomituntergrunds; garantiert würde niemand erwarten, dass die geografische Mitte dieser Wüste den Namen Riviera della Manna trägt. Dabei gilt das Altipiano als absoluter Kältepol Italiens.
Die Mulde der Busa di Manna verzeichnete eine Tiefsttemperatur von minus 47° Celsius, ein Wert, der im Dezember 2010 sogar noch geknackt wurde: minus 48,3° – sibirisch – und das gerade mal 100 Kilometer von der Lagunenstadt Venedig! Der Plateau- und Abstiegsweg zweigt wenig unterhalb der Rosettahütte (2581 m) vom Sentiero delle Comelle ab (Hinweisschild). Nach einer leichten Gegensteigung in den wenig ausgeprägten Sattel des Passo delle Comelle führt der steinige Saumpfad, nach und nach an Höhe verlierend, am Nordrand des Altipiano entlang. Dabei bieten sich faszinierende Ausblicke auf die Pala-Nordkette, deren Gipfelzacken über dem Val delle Comelle aufragen.
Bei der Weggabelung am Passo Antermarucol (6:30 Std.) hält man sich rechts und folgt der alten Mulattiera, die sanft gegen die Kuppe des Marucol (2362 m) ansteigt, dann mit freier Sicht auf die Zoldaner und Ampezzaner Dolomiten zu den Wiesen des Campo Boaro hinabläuft. Hier überquert man unübersehbar eine geologische Grenze – jene vom (hellgrauen) Dolomit zu den dunklen Eruptivgesteinen, aus denen der nahe Sasso Nero (nomen est omen …), aber auch die Cima di Pape (2503 m) aufgebaut ist. Sie hat nicht weniger als drei Namen: Pape, Sanson und Papa. Letzterer erinnert an den aus dem Agordino stammenden unglücklichen Papst Johannes Paul I., der bereits nach 33 Tagen im Amt starb (und um dessen Tod sich bis heute allerlei Gerüchte ranken).
Die Fortsetzung des Weges führt in Schleifen bergab in die Forcella Cesurette(7:45 Std.), die Wasserscheide zwischen Garestal und Valle di San Lucano. Der weitere Abstieg bietet schöne Aussichten auf die Pala-Nordkette. Im Wald wandert man abschließend hinunter zur Capanna Cima Comelle (8:30 Std.).
Region
Ausgangspunkt
Capanna Cima Comelle (1333m)
Wegbeschaffenheit
Überwiegend gute Bergwege, auf kurzen Abschnitten etwas ausgesetzt und/oder gesichert
Für die Richtigkeit und Aktualität der Angaben kann trotz größtmöglicher redaktioneller Sorgfalt keine Haftung übernommen werden.
Insbesondere bei GPS Daten können Abweichungen nicht ausgeschlossen werden.
Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung,
sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.