Wandern Dolomiten: Günther-Messner-Steig
Gesicherte Route über die Aferer Geisler. Die Aferer Geisler sind die kleinen Geschwister der mächtigen Geislerspitzen über dem Villnösser Talschluss. Sie sind - bei durchaus dolomitischen Merkmalen - nicht ganz so spektakulär, weisen aber einen entscheidenden Vorzug auf: Dem versierten Bergwanderer erlauben sie auf dem Günther-Messner-Steig eine kammnahe Durchquerung und punkten dabei auch mit besten Ausblicken auf Furcheta, Sas Rigais und Co.
Ein bisschen Klettersteig-Feeling
Benannt ist der Höhensteig nach dem 1970 am Nanga Parbat verunglückten Günther Messner, der in Villnöß aufwuchs und sich mit seinem Bruder Reinhold zu bergsteigerischen Glanztaten anschickte – zunächst in den heimischen Dolomiten und dann eben auch mit Fokus auf die ruhmreichen Achttausender. Während Günther der erste Versuch im Himalaja zum Verhängnis wurde, sollte Reinhold später bekanntlich als erster Besteiger aller 14 Achttausender in die Geschichte eingehen. Gleichwohl hat unsere Route nichts mit waghalsigen Kletteraktionen zu tun. Schon der Begriff »Klettersteig« scheint im Hinblick auf das meist schrofige Gelände ein wenig übertrieben, auch wenn eine Handvoll Passagen mit Eisenteilen entschärft sind.
Wer dafür ausreichend Erfahrung mitbringt, darf sich auf ein echtes Schmankerl von Panoramaweg freuen: abwechslungsreich im Verlauf, mit originellen Einzelpassagen garniert und stets die unnahbaren Nordwände der großen Geislerspitzen im Blick. An den Aferern bricht die Nordseite ebenfalls jäh und felsig ab – und man glaubt darin fast eine verkleinerte Ausgabe zu erkennen –, während die südseitigen Schrofenflanken weniger elegant wirken, aber halt auch die Hindernisse herabsetzen.
Angegangen werden kann der Günther-Messner-Steig sowohl von der Zanser Alm im Villnösser Talschluss als auch vom Russiskreuz an der kurvenreichen Halslstraße. Letzteres ist die Originalroute, an der wir uns hier orientieren wollen. Sie schlägt zunächst einen Bogen um das Westeck der Kette, strebt danach dem Hauptgrat am Wälschen Ring zu und bleibt im Kernbereich in Kammnähe oder zumindest auf hoher Linie, um später via Peitlerscharte den Kreis zu schließen. Einst führten die Aferer Geisler ein touristisches Schattendasein. Die Anlage des Günther-Messner-Steiges hat daran zwar einiges geändert – einen Massenandrang muss man deshalb aber noch lange nicht befürchten.
Vom Russiskreuz zum Tullen
Beim Parkplatz am Russiskreuz fühlen wir uns bereits vom zerklüfteten Weißlahngrat in Bann gezogen. Wie wird es wohl dahinter aussehen Um es in Erfahrung zu bringen, folgen wir dem Hinweis auf den Günther-Messner-Steig und kommen zuerst ein Stück gegen die Felsabbrüche voran, dann deutlich nach rechts um die Westausläufer herum. Man quert über eine schwache Einsattelung und vollzieht den Bogen zur Einmündung des Oberen Herrnsteiges, der von der Zanser Alm heraufkommt. Nun erlaubt das wellige Gelände der Kofelalm einen problemlosen Weiterweg – übrigens bereits auf der Rückseite des anfangs bewunderten Weißlahngrates.
Einige zerschartete Felsformationen machen wiederum einen fragilen Eindruck, doch bleiben wir ja ein Stück weit auf Distanz. In Falllinie des Tullen geraten wir aus spärlich begrünten Hochmulden in Schutthalden hinein. Ein Abstecher zum höchsten Punkt der Aferer Geisler lohnt sich aber trotz der Zusatzmühe – einige Drahtseile helfen über Schrofen bis in eine Kammscharte hinauf, von wo der Tullen (2653 m) über den Ostgrat in Kürze zu erreichen ist und uns mit einer tollen Schau in alle Himmelsrichtungen belohnt. Gegen Westen und Norden ist der Horizont ausgesprochen weit. Bei klarem Wetter kann man jenseits der Sarntaler Höhenzüge sogar die Eishauben der Ortlergruppe ausmachen. Über dem Pustertal erscheint die schmucke Firnlinie des Zillertaler Hauptkamms. Weiter rechts schiebt sich der massige Peitlerkofel ins Blickfeld, von unseren Aferer Geiseln nur durch den Einschnitt der Peitlerscharte getrennt. Und dann der Bogen über Ost nach Süd: »Bleiche Berge«, wohin das Auge schaut. Das Glanzlicht schlechthin manifestiert sich natürlich in der imposanten Formation der Geislerspitzen.
Filetstück des gesicherten Steiges
Im weiteren Verlauf bleibt die Spannung auf hohem Niveau. Wir queren unterhalb der Scharte am besten gleich links auf einer wilden Spur (Vorsicht wegen des erodierten Untergrunds) hinüber zu einer gesicherten Rinne, mit der das Kraxelabenteuer am Günther-Messner-Steig so richtig beginnt. Man gewinnt den Grat und biegt kurzzeitig in die Nordseite aus, wo zwei Varianten zur Verfügung stehen. Die vordere ist schwieriger als die hintere. Zupacken muss man freilich in jedem Fall und kommt damit über Rinnen und Rampen auf den Grat zurück, und zwar ganz in der Nähe jenes Kopfes, der in Karten als Wälscher Ring (2646 m) bezeichnet wird. Anschließend weicht unsere Route für längere, mehrheitlich leicht abwärts gerichtete Traversen in die Südseite aus. Meist haben wir es hier mit ungesichertem Schrofenterrain zu tun, unterbrochen durch eine mit Drahtseilen entschärfte Rinne im Bergauf.
Zweimal tangieren wir dazwischen die Grathöhe, bevor die Ringspitze (2625 m) ziemlich weit in der Südflanke gequert wird. Allerdings gewinnt die Route später allmählich wieder an Höhe und kommt zurück auf die unmittelbare Kammlinie, wo jetzt an einer Felsstufe eine zehn Meter hohe Leiter zu erklimmen ist – die wohl einprägsamste Stelle überhaupt. Das folgende Band ist noch gesichert, ehe wir durch eine weitere Lücke schlüpfen und den letzten Felsaufbau entlang der Nordseite traversieren. Ein paar Meter über einen Grashang hinab, biegen wir nach links in den Dolomiten-Höhenweg Nr. 2 ein. Rechts ginge es zur Schlüterhütte (und zurück zur Zanser Alm).
Die Peitlerscharte (2357 m) leitet einen halbstündigen Abstieg durch eine breite, gutmütige Rinne ein. Doch ehe wir wieder beimRussiskreuz einlaufen, wird es noch eine Weile dauern. Gerade der lange Rückmarsch quer durch die Schuttreißen unterhalb der Nordwände gerät für manch einen zur Konditionsprüfung oder zumindest zur Geduldsprobe…
Region
Touren-Charakter
Alpine Überschreitung auf stellenweise klettersteigartig ausgebauter Route, weithin auch schmale Pfade im Schrofengelände. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit obligatorisch, zudem Ausdauer für die lange Tagestour.
Beste Jahreszeit
Ende Juni bis Ende September oder Mitte Oktober, falls schneefrei
Ausgangspunkt
Russiskreuz (1729 m), an der Brixner Dolomitenstraße Richtung Halsl und Würzjoch (von Westen kommend kurz vor dem Abzweig nach Lüsen). Anfahrt außer von Brixen auch über Villnöß sowie aus dem Gadertal möglich.
Route
Russiskreuz - Einmündung Oberer Herrnsteig 1½ Std. - Tullen 1½ Std. - Peitlerscharte 2½ Std. - Russiskreuz 2 Std.; insgesamt 7½ Std.
Höchster Punkt
Tullen (2653 m) bzw. Wälscher Ring (2646 m)Variante
Die Villnösser Variante – mit Zustieg von der Zanser Alm (1685 m) über den reizvollen Oberen Herrnsteig (Nr. 32A) – wird vermutlich etwas häufiger begangen, da sie mit ca. 7 Std. wenigstens ein bisschen kürzer ausfällt und gegen Ende mit der Schlüterhütte und der Gampenalm auch einige »Tankstellen« offeriert.
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Insbesondere bei GPS Daten können Abweichungen nicht ausgeschlossen werden.
Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung,
sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.