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Panoramawege/ Hochgefühl
wandern

Wandern Dolomiten: Große Civetta-Rundtour

Anspruch:
schwer
Dauer:
15:00 Std.
Länge:
30 km
Aufstieg:
2570 m
Abstieg:
2570 m

Zwei lange Tage zwischen Agordino und Zoldano. Im Rahmen der Alta Via 1, der beliebtesten Weitwanderstrecke der Dolomiten, ist die Westtraverse der Civettagruppe als »la più bella passeggiata delle Dolomiti« zu einigem Ruhm gekommen. Was nicht jeder weiß: Auch an der Ostflanke gibt es eine durchgängige Höhenroute, im Verlauf durch einige Karbuchten eine Nummer rauer und auch viel weniger frequentiert. Zusammen eine fantastische Runde, die zu den Highlights in diesem Band zählt!

Im Rifugio Tissi beziehen wir Quartier vis-à-vis der gewaltigen Civetta-Nordwestwand.wandern, schwer
Im Rifugio Tissi beziehen wir Quartier vis-à-vis der gewaltigen Civetta-Nordwestwand.© Mark Zahel
Beschreibung

Im Reich der überwältigenden Civetta

Die Gipfel der Civettagruppe – einschließlich der Moiazza als südlichem Anhängsel – sind in aller Regel nicht gerade leicht zugänglich. Als reiner Wanderer steht man immer wieder staunend vor Kulissen, die bedrohlich und faszinierend zugleich wirken. Immerhin können wir ihnen auf halber Höhe zwischen Tal und Berg ziemlich nahe sein. Dass die großartige Route über die Rifugi Coldai, Tissi und Vazzolèr eben als »la più bella passeggiata delle Dolomiti« und damit als perfekter Panoramaweg in dieses Buch gehört, scheint klar. Vielleicht von Alleghe mit Liftunterstützung zum Col dei Baldi und am Schluss durchs Val Corpassa hinaus nach Listolade So ganz überzeugt mich dieses Vorgehen nicht, zumal mir just in Erinnerung kommt, welch eindrückliche Erlebnisse ich auch auf der Ostseite des Massivs schon gesammelt habe.

Deshalb sei an dieser Stelle eine Rundtour vorgestellt, die am Passo Duràn aufgenommen wird und mit 15 Stunden Gesamtgehzeit schon aus dem üblichen Rahmen fällt. Konditionsstarke können sie binnen zweier voll ausgefüllter Tage bewältigen, wobei im Rifugio Tissi Quartier bezogen wird. Warum gerade dort, werden wir später noch sehen… Möchte jemand das Programm indes lieber auf drei Tage entzerren, nächtigt man freilich optimaler im Rifugio Vazzolèr und im Rifugio Coldai – stimmungsvoll wird’s so oder so! Ist die Strecke auf dem Dolomiten- Höhenweg Nr. 1 noch ziemlich allgemeintauglich, müssen wir auf der Ostseite unser Rüstzeug als erfahrene Bergwanderer unter Beweis stellen. Da wird es öfter mal ein bisschen ruppig, vor allem über die Forcella Inferiore.

Entlang der Moiazza zum Rifugio Vazzolèr

Beim Rifugio Cesare Tomè am Passo Duràn gehen wir mit Nr. 549 am Wiesenhang hoch und stoßen bald auf einen breiten Wirtschaftsweg, der zum Rifugio Carestiato (1834 m) führt. Im Osten baut sich imposant die Tamergruppe auf, doch besonders urgewaltig wirken die nahen Moiazza-Südwände! Unterhalb dieser Mauern queren wir nun durch Blockfelder nach links (Nr. 554), passieren die Mündung des Van dei Cantoi und orientieren uns im Angesicht der filigranen Torri di Camp hinauf zur Forcella del Camp (1933 m). Der Weg schwenkt auf die Westseite der Türme und leitet am Wandsockel entlang schräg abwärts zur Lücke am Col d’Ors.

Der erste Blick auf die Civettagruppe – allen voran die mächtig vorspringende Cima della Busazza mit dem Torre Trieste – begeistert. Im linken Kammausläufer ist der Torre Venezia nicht zu verkennen – in zwei Stunden werden wir an seinem Fuß stehen. Doch zunächst verlieren wir durch Wald einige Höhenmeter und queren dann recht verschlungen die bewachsenen Schutt- und Blockreißen der Giaroi del Palanzin, bis wir bei P. 1430 auf die breite Schottertrasse zum Rifugio Vazzolèr (1714 m) treffen. Nach einigen Kehren und Kurven laufen wir bei der waldumstandenen Hütte ein.

Unter die Wand der Wände

Während des Weiterweges Richtung Casera Favretti (Nr. 560) hat sich die Perspektive mittlerweile verschoben. Die Moiazzagruppe erscheint nun aus der Distanz viel übersichtlicher, die Busazza präsentiert ihre Westabstürze, und die Zackenvielfalt über dem Val dei Cantoni bietet ein Spektakel der Formen. Wie unspektakulär hingegen der Pelsakamm gegenüber. In sanftem Anstieg über blockdurchsetzte Wiesen steuern wir die Sella di Pelsa (1954 m) an und wechseln über die seichte Schwelle in den Bereich des Val Civetta. Diese lang gestreckte Hochmulde begleitet den Civetta-Hauptzug und vermittelt außergewöhnliche Einblicke in die Nordwestwand. Doch gemach! Zunächst durchschreiten wir einen Almgrund, lassen den Abzweig der Via Casamatta links liegen und halten auf die Forcella di Col Reàn (2107 m) zu. Kurz vorher links hoch und zum Rifugio Tissi (2250 m), wo der perfekte Logenplatz vor der mehr als 1000 Meter hohen Felsmauer der Civetta eingenommen ist. In dieser Wand klettern nur die Besten!

Fünf Minuten oberhalb der Hütte eröffnet die Kanzel der Cima di Col Reàn (2281 m) sogar einen Tiefblick ins Tal des Cordevole mit dem Lago di Alleghe und eine weite Schau nach Westen über das halbe Dolomitenreich. Wenn schließlich die untergehende Sonne in den Felsfluchten für ein paar Augenblicke ein rotglühendes Feuerwerk entfacht, ist die Bergromantik einfach vollkommen! Von bezaubernder Schönheit ist der Weiterweg am nächsten Morgen. Denn aus dem Val Civetta, in das wir anfangs wieder absteigen, gestaltet sich der Übergang zum Rifugio Coldai über zwei Sättel sehr abwechslungsreich. Zwischen dem Col Negro di Coldai (2203 m) und der Forcella Coldai (2191 m) bettet sich der Lago Coldai: eine Landschaftsperle mit dem Spiegelbild der angrenzenden Türme. Beim unkomplizierten Wechsel auf die Ostseite der Gruppe taucht das Rifugio Sonino ai Coldai (2132 m) und ein völlig neues Kulissenbild vor uns auf. Darin dominiert nun eindeutig der Monte Pelmo.

Finale am Sentiero Angelini

Wir schlagen Weg Nr. 557 ein und durchmessen eine Reihe kleiner Karbuchten, die von ausgeprägten Geländerippen getrennt werden. So bleibt es auch auf der Ostseite der zuvor schon einmal passierten Torri di Coldai, Alleghe und Valgrande stets spannend. Zwischendurch sind ein paar Stellen gesichert. Hinter der Porta del Masarè zweigt die großartige Via ferrata degli Alleghesi gipfelwärts ab – ein Stück weiter, kurz nachdem der Felssporn der Crepa Bassa umkurvt ist, die Civetta-Normalroute.

Die Zoldaner Ostflanke des Massivs kann sich zwar nicht mit der Nordwestwand messen, gebärdet sich aber ebenfalls alles andere als zahm. Beim Schrägabstieg durch die Geröllhalden achten wir auf den Abzweig des Sentiero Angelini, lassen uns also nicht zur Forcella della Grava hinunterleiten, sondern bleiben möglichst hoch am Hang. Im Auf und Ab kommt man zur mächtigen Schotterreiße des Giaron del Van delle Sasse. Hier ein Stück weit gegen die gleichnamige Scharte aufwärts, dann aber wieder nach Süden queren und zur Geländeschulter am Col del Vant (ca. 2300 m). Im nächsten Kar verliert man erneut an Höhe und muss sich anschließend über losen Schutt hinaufmühen, bevor ein Band nach links und eine Rinne in die Forcella Inferiore (2300 m) führen. Dies ist wohl der kniffligste Übergang der Tour, denn südseitig wartet plötzlich noch eine echte Hürde. Nach den ersten Schrofenrinnen achten wir unbedingt auf einen scharfen Rechtsknick!

Damit zur steilsten Felsrinne, die handfeste Kletterei (I) erfordert, wenn auch nur kurz. Am Sockel lassen wir es rechts haltend über eine grasig-schuttige Böschung auslaufen und steuern in dem welligen, begrünten Kargelände das längst sichtbare Bivacco Grisetti (1980 m) an. Gern wird man hier am Auslauf des weiten Vant della Moiazza nochmals ausgiebig Rast halten und die Blicke über die Bergwelt des Zoldano schweifen lassen. Der massige Pelmo wurde schon erwähnt, schräg dahinter erscheint unverwechselbar der Antelao, und im Bogen von Ost nach Süd die Gruppen von Bosconero, Spiz di Mezzodi, Prampèr und Tàmer. Vielleicht mag jemand an diesem stillen, friedlichen Fleck sogar die Nacht verbringen.

Ansonsten wird die Uhr irgendwann zum Aufbruch mahnen, denn bis zum Passo Duràn sind es noch mindestens eineinhalb Stunden auf nicht gerade komfortablen Wegen. Wir steigen durch Latschenfelder ein gutes Stück ab, um an einem mächtigen Kammausläufer der Moiazza vorbeizukommen. Zuletzt führt der Sentiero Angelini (Nr. 578) leicht auf und ab durch Latschengeröll, Waldparzellen und eventuell auch einige feuchte Abschnitte, ehe sich am Ende einer sehr langen zweiten Etappe der Kreis amPasso Duràn schließt.

Touren-Charakter

Mindestens zweitägige Bergwanderung, die Trittsicherheit und Durchhaltevermögen verlangt. Auf der ersten Etappe meist noch leichtere Wege, nur abschnittsweise Geröllpassagen. Am zweiten Tag auf kleineren Pfaden deutlich anspruchsvoller, viel Schotter und felsdurchsetztes Gelände (stellenweise I. Grad).

Beste Jahreszeit

Ende Juni bis etwa 20. September (Hüttenschluss)

Ausgangspunkt

Passo Duràn (1601 m), Straßenpass zwischen Agordo und Val di Zoldo

Endpunkt

asso Duràn (1601 m), Straßenpass zwischen Agordo und Val di Zoldo

Route

Passo Duràn - Rifugio Carestiato 1 Std. - Forcella del Camp 1 Std. - Rifugio Vazzolèr 2½ Std. - Rifugio Tissi 2 Std. - Rifugio Coldai 2 Std. - Abzweig Sentiero Angelini 2 Std. - Forcella Inferiore 2 Std. - Passo Duràn 2½ Std.; insgesamt 15 Std. (2 oder 3 Tage)

Höchster Punkt

Porta del Masarè (ca. 2350 m)
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Für die Richtigkeit und Aktualität der Angaben kann trotz größtmöglicher redaktioneller Sorgfalt keine Haftung übernommen werden. Insbesondere bei GPS Daten können Abweichungen nicht ausgeschlossen werden.
Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung, sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.