Wandern Dolomiten: Entlang der Pala-Südkette
Vom Passo Cereda bis an den Fuß des Agnèr. Cimònega, Piani Eterni, Monti del Sole - Namen, die selbst gute Dolomitenkenner oftmals nicht mit lebendigen Inhalten füllen können. Diese Berggruppen stehen am Horizont Parade, wenn wir den Südzug der Pala auf traditionellen Almpfaden abschreiten. Man muss einmal selbst dort gewesen sein, um die Skepsis vor dem Unbekannten abzulegen und die wahren Werte aufzuspüren. Das sind nicht etwa prestigeträchtige Namen, sondern: Natur, Natur, Natur
Echte Erlebniswerte
Vielleicht wird ja die Neugier geweckt mit einigen Worten des italienischen Autors Luca Visentini, der in seiner umfangreichen Gebietsmonografie schwärmt: »Dieser Abschnitt der Kette ist der typische Lebensraum der Gämse. Eindrucksvolle Felsformen, verlassene Weiden, uralte Jagdgründe und außergewöhnliche Ausblicke lassen ihn zum Erlebnis werden.« In der Tat – der äußerste Süden der Dolomiten besitzt stets sein eigenes Flair, das sich schon erheblich von den gut erschlossenen Gebieten weiter nördlich unterscheidet. Das muss nicht immer mit übermäßigen Schwierigkeiten einhergehen. Aber regelrechte Promenaden darf man hier nicht erwarten, und auch nicht alle Stunde eine bewirtschaftete Hütte. Großartig, dass es eine solche Vielfalt innerhalb der Dolomiten überhaupt noch gibt, dass noch nicht jeder attraktive Fleck zum Spekulationsobjekt degradiert worden ist. Manchmal sind derartige Impressionen auch für einen selbst heilsam. Nicht alles muss bis ins Letzte präpariert sein – gerade dort, wo solch ursprüngliche, erhabene Kulissen Spalier stehen…
Zum Biwak auf Pianlonch
Wir beginnen die lange Wanderung am Passo Cereda, wo wir zunächst einem Fahrweg zum Maso Brunet folgen. Gegenüber schraubt sich Route Nr. 718 nun an der bewaldeten Berglehne empor. Das ist noch nicht sonderlich spannend, was sich jedoch ändert, sobald wir in eine eigenartige Landschaft bizarrer Felszacken eintreten. Sie spitzen einfach so aus den grasigen Hängen. Man quert in diesem Bereich ein Stück nach rechts und steigt fast bis zum Passo Regade auf, verbleibt dann aber in der südöstlichen Flanke. Unterhalb von Monte Feltraio und Le Rochette schneidet der Weg den Felsansatz, kreuzt dabei einige Runsen, Einbuchtungen sowie kleinere Rücken und bietet fortwährend eine herrliche Schau auf die gegenüberliegende Talseite mit den südlichsten Ausläufern der Dolomiten. Typische sommerliche Quellungen können allerdings dazu führen, dass man hier schon zeitig am Vormittag eher durch diffusen Nebel tapst.
Nachdem wir allmählich wieder etwas an Höhe eingebüßt haben und uns bereits am Fuß der Cima d’Oltro befinden, lassen wir Nr. 718 (gleichzeitig der Dolomiten-Höhenweg Nr. 2) über die Forcella d’Oltro wechseln und setzen die spannende Traverse diesseitig fort. Sie gestaltet sich nun über diverse Rippen und durch den abschüssigen Trichter des Val delle Pala etwas verwickelter, doch kommt man dahinter allmählich gegen die Casera Cavallera hinunter. Mit gutem Gespür lässt sich ein Stück weit oberhalb nach links zu den sanften Wiesen von Pianlonch abkürzen. Hier, unterhalb der Felsrecken von Pala della Madonna und Sass d’Ortiga, hat das gemauerte Bivacco Menegazzi (1737 m) seinen idyllischen Platz.
Zweite Halbzeit über den Col di Luna
Die Markierung Nr. 773 lotst uns nun weiter in Grundrichtung Nordost, mit respektvollem Abstand zu den von tiefen Schluchten durchzogenen Felsabstürzen der Pala-Südkette, die keinen Vergleich mit populäreren Dolomitenszenarien zu scheuen brauchen. Nachdem der Graben des Valle Sprit gekreuzt ist, geht es wieder etwas ansteigend auf einer verwachsenen Wiesenspur dahin. Hinter einem weiteren Graben folgen wir dem Bogen hinüber zur Casera del Campo (1750 m) und achten dort gut auf die undeutliche Fortsetzung. Diese leitet hinauf zur nächsten markanten Grasrippe. Unser Höhenweg schneidet nacheinander zwei Hangbuchten und nähert sich damit dem Kreuzungspunkt am Passo del Col di Luna (1718 m).
Eine Stunde trennt uns nun noch von einer möglichen Einkehr, drüben im Rifugio Scarpa. Abermals müssen wir etwas Höhenverlust in Kauf nehmen, an einem Brunnen vorbei zum Abzweig des Weges Nr. 772, der eine Abkürzung in den Talort Frassenè herstellt: bei Konditionsmängeln eine gute Option! Ansonsten gehen wir auch noch den weiten Kessel des Val Domadore aus – durch ein Gehölz zur letzten Gegensteigung, die uns zur Malga Losch und nebenan auf die aussichtsreiche Kuppe mit dem Rifugio Scarpa-Gurekian (1748 m) bringt. Im Inneren der Hütte befindet sich eine offene Feuerstelle – so was hätte man anderswo wohl schon längst »wegreglementiert«. Blickfang Nummer eins wird jetzt womöglich der Agnèr, seines Zeichens Höchster der gesamten Pala-Südkette, sein. Gewaltige Felsmassen türmen sich dort auf, und man ahnt noch nicht, dass die abgewandte Nordseite diesbezüglich noch eins draufsetzt. Aber das wäre ja fast schon zu viel der Dramatik! So schweifen unsere Blicke gern auch in die Weite – zum Piz di Mezzodì etwa, der den geheimnisumwitterten Monti del Sole entragt, oder hinüber zu Moiazza, Tàmer und Schiara jenseits des Cordevole.
Es mag spät geworden sein. Leeren wir das Glas und sagen »Ciao« zum Wirt. Der Abstieg über den Weg Nr. 771 nach Frassenè wird noch rund eine Stunde in Anspruch nehmen und die lange Tour im äußersten Süden der Pala unspektakulär ausklingen lassen.
Region
Touren-Charakter
Bergwege unterschiedlicher Beschaffenheit, teils recht einfach zu begehen, streckenweise auch ruppig (z. B. in Rinneneinschnitten) bzw. stark bewachsen. Ausreichende, aber nicht gerade üppige Markierung. Ziemlich lange Strecke mit dem Hauptanstieg zu Beginn. Neben elementarer Trittsicherheit vor allem Ausdauer erforderlich.
Beste Jahreszeit
Mitte Juni bis Ende September
Ausgangspunkt
Passo Cereda (1361 m),
Endpunkt
Frassenè (1084 m), im Valle Sarzana (Agordino). Der Lift zur Malga Losch war zuletzt nicht mehr in Betrieb.Route
Passo Cereda - Abzweig Passo Regade 2 Std. - Abzweig Forcella d'Oltro 1 Std. - Bivacco Menegazzi 1 Std. - Passo del Col di Luna 1½ Std. - Rifugio Scarpa 1 Std. - Frassenè 1 Std., insgesamt 7½ Std.
Höchster Punkt
Unterhalb des Passo Regade auf
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Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung,
sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.