Klettersteig Dolomiten: Die Vani Alti und das Bivacco Reali
Die »vergessenen« Drahtseile. Das innere Val dei Canali umrahmen einige nur selten bestiegene Berge wie die Cima dei Lastei oder die Cime Vani Alti. Fast in Gipfelregionen stoßen zwei Klettersteige vor, von denen der eine allerdings gar keiner ist. Haken gibt's zwar, aber Seile wurden nie eingezogen - vergessen?
Dolomitenerlebnis pur!
An der Südostkette der Pala gibt es einige Wege, die kaum begangen werden, Steige weitab aller Trampelpfade, die direkt in die Bergeinsamkeit führen. Wie der Sentiero dei Vani Alti. Er zieht aus dem innersten Val Canali durch die hohen Kare (Vani Alti) hinauf zum Kammrücken der Pala-Südostkette. Im obersten Bereich, wo das Gelände steil und felsig wird, sind in kurzen Abständen Haken für eine Via ferrata gesetzt, doch die blieb eine Unvollendete, auch nach vier Jahrzehnten noch. Macht nichts! Das Eisen wäre hier ohnehin nur bescheidene Zugabe, auf dieser Runde ist die Kulisse der (große) Star. Am Kamm zwischen dem Sass d’Ortiga und der Croda Granda (2849 m) eröffnen sich dem Bergsteiger faszinierende Dolomitenbilder, dazu immer wieder wechselnde Fernblicke. Ganz unvergesslich wird die Tour, wenn man im Bivacco Reali (2595 m) übernachtet. Komfort bietet die »Blechbüchse« keinen, dafür erlebt man einmalige Momente zwischen Tag und Traum, wenn die tief stehende Sonne die grauen Felsen aufleuchten lässt: Zauber der Dolomiten. Die große Tour startet drunten bei der Malga Canali (1302 m), ist zunächst einmal Hüttenwanderung. Die bietet schon mal Aussicht auf viel Fels rund um das malerische Tal, was für einige Vorfreude sorgt. Zuletzt geht’s im Zickzack hinauf zum Rifugio Treviso (1629 m), wo man sich gerne ein zweites Frühstück gönnt. Gleich hinter dem Haus liegt der Hubschrauberlandeplatz, »Alberghetto« genannt. Auf der kleinen, abgeflachten Kuppe nächtigte vor mehr als 150 Jahren eine illustre Gesellschaft, die sich offensichtlich bei ihrer Pala-Durchquerung verspätet hatte. Mit von der Partie waren zwei Bergpioniere jener Zeit, D. W. Freshfield und F. F. Fox, beides Erstbesteiger großer Alpengipfel. Ein Dach hatte ihr »Hotelchen« (alberghetto) allerdings nicht…
Der Klettersteig, der keiner ist
Im Gegensatz zu den modernen Pala-Wanderern hatte die englische Expedition keine Landkarte dabei (weil’s noch keine gab), und der Weg hinauf zum Passo Canali war auch nicht fein säuberlich rot-weiß markiert und mit einer Nummer versehen. Wer zum Vani-Alti-Steig will, folgt der Markierung 707 etwa eine Stunde weit. Dann öffnet sich rechts der felsumstandene Graben des Vallone Vani Alti. Auf einer dünnen Spur steigt man in dem Graben bergan, geleitet von verblassten roten Markierungen. Im Rückblick zeigen sich die mächtige Cima dei Lastei (2846 m), der Sasso delle Lede und die Cima Sédole, über deren Gipfelgrat mit zunehmender Höhe die markante Silhouette des Sass Maor (2814 m) immer schöner hervortritt. Der Talschluss der Vani Alti rückt allmählich näher, wirkt allerdings ziemlich vermauert. Wie weiter? Doch dann erweist sich der Durchstieg als überraschend leicht; er folgt einem von unten schwer zu erkennenden Bandsystem. Die Haken der nie realisierten Ferrata dienen dabei als Orientierungshilfe, gegebenenfalls auch als Sicherungsmöglichkeit. Die klettertechnischen Anforderungen sind bescheiden; auf den Felsen liegt allerdings reichlich Geröll – also vorsichtig gehen! Zur Linken hat man die Torri dei Vani Alti, rechts die Cima di Sant’Anna (2461 m) – eine felsige Enge. Ganz anders dann oben, an der Forcella Vani Alti (2529 m), die weniger Scharte als vielmehr Aussichtskanzel ist und einen freien Ausblick nach Südosten, über das Tal des Mis auf Feltriner Dolomiten und Monti del Sole bietet.
Felskulisse unter der Croda Granda
Die Fortsetzung der Tour bietet dann Dramaturgie pur. Die Geröllspur leitet durch das zwischen Cime dei Vani Alti links und dem Sass da Camp (2733 m) eingelagerte Van Alt bergan. Während des Anstiegs wird man wohl mehr als nur einmal innehalten, nicht etwa, weil einem der Schnauf ausgeht, sondern um den faszinierenden Rückblick zu genießen: auf den mächtigen Sass d’Ortiga (2634 m), unverkennbar mit seinem zwischen Westpfeiler und Gipfel eingeklemmten Felsblock. Der Gipfel ist ein beliebtes Kletterziel; als ein absoluter Pala-Klassiker gilt die Westkante, 1928 vom legendären Elbsandsteinkletterer Fritz Wiessner und Hermann Kees eröffnet (V). Der Weiterweg führt in die Osthänge der Cime dei Vani Alti; ganz unvermittelt steht man über dem Vallon Sprit, der seinen Namen wohl nicht zufällig hat (sprit = Geister). Jenseits des Höllenschlunds baut sich der mächtige Klotz der Croda Granda (2849 m) auf. Er bleibt dominierendes Gegenüber beim Weiterweg zum Bivacco Reali (2595 m), das sich einer herrlichen Lage auf einem kleinen Karrenplateau erfreut – Einladung zu einer Nacht am Saum des Himmels.
Abstiegs-Klettersteig
Wer nicht oben bleibt, vertraut sich den soliden Drahtseilen der Via ferrata Fiamme Gialle an. Sie leiten über teilweise recht steile, aber angenehm gestufte Felsen hinunter in den Vallon del Coro: noch so ein gottverlassener, großartiger Pala-Winkel. Auf dem Weg 707 geht’s zurück zum Rifugio Treviso, wo man auf der Terrasse auf die tolle Tour anstoßen darf. Salute! Drunten im Valle dei Canali am Wanderparkplatz der Malga Canali endet die große, an Eindrücken so starke Tour.
Region
Touren-Charakter
Große Runde, die aus dem Valle dei Canali in das Felsgelände um die Croda Granda führt. Leichte Kletterei am Sentiero dei Vani Alti, längere gesicherte Passagen im Abstieg vom Bivacco Reali (K2-3). Eine Tour für erfahrene Bergsteiger
Ausgangspunkt
Malga Canali (1302 m)
Endpunkt
Malga Canali (1302 m)Route
Gesamt 8 Std.; Aufstieg 5 Std., Abstieg 3 Std.
Schwierigkeit
K2-3Höchster Punkt
Bivacco Reali (2595 m)Information
Markierung Zustieg SAT-Markierung 707, Sentiero Vani Alti und Klettersteige rote Punkte
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Insbesondere bei GPS Daten können Abweichungen nicht ausgeschlossen werden.
Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung,
sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.