WINTERWISSEN

LVS-Training und Lawinen-Verschüttetensuche

Unser theoretisches Wissen über Lawinen ist nur so gut, wie wir es in der Praxis anwenden. Deshalb empfiehlt sich vor der ersten Tour der Saison eine »Frischzellenkur« für unser Können in Sachen Verschütteten-Such; die Experten von Hauser Alpin erklären, worauf es beim LVS-Training ankommt.

Das Bewusstsein um die Wichtigkeit der Lawinen-Verschüttetensuche kann Leben retten.
Das Bewusstsein um die Wichtigkeit der Lawinen-Verschüttetensuche kann Leben retten.© Foto: Adobe Stock/kbarzycki

Schnelle und effektive Kameradenhilfe nach einem Lawinenunfall ist die wichtigste Lebensversicherung auf Tour. Denn schon nach nur fünfzehn Minuten Verschüttungszeit sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit um ein Vielfaches.

Deshalb sollten alle verfügbaren Helfer innerhalb der ersten fünfzehn Minuten nach einem Lawinenabgang intensiv nach den Verschütteten suchen. Erst nach dieser Zeit sollten die weiteren Aufgaben verteilt werden.

Ablauf der Verschüttetensuche

Ob eine oder mehrere Personen nach dem oder den Verschütteten suchen, hängt von der Größe des Lawinenfeldes ab. Dazu müssen die Helfer ihr Gerät auf »Empfangen« umschalten.

Wer nicht sucht, schaltet sein LVS-Gerät aus bzw. um und bestückt sich mit Schaufel und Sonde. Bei genug Helfern starten Zweierteams mit der Suche. Sollte jemand keine Aufgabe haben (oder sonst spätestens nach 15 Minuten), setzt derjenige einen Notruf über die international gültige Nummer 112 ab.

Die Grobsuche nach den Verschütteten

Nachdem alle Helfer ihr LVS-Gerät auf »Empfangen« gestellt haben, legt der erfahrenste Helfer den Suchweg möglichst schnell in Serpentinen zurück (Ein-Helfer-Methode).

Bei mehreren Helfern gehen diese den Suchweg geradlinig ab. In beiden Fällen Augen und Ohren offenhalten und auf herausragende Körper-, Ausrüstungsteile oder Hilferufe achten! Die Suchstreifenbreite hängt ebenfalls von dem Ausmaß der Lawine, der Anzahl der Helfer und der eingesetzten LVS-Geräte ab.

Grundsätzlich empfiehlt sich eine Suchstreifenbreite von 20 Metern (mit zehn Metern Abstand zum äußeren Rand des Lawinenfeldes).    

Feinsuche & Punktortung: So funktioniert's

Sobald das erste Signal geortet ist, läuft die Feinsuche. Dabei folgt der Sucher der Richtung des stärksten Signals (egal ob per lauter werdendem Analog-Ton, Entfernungsanzeige oder digitalem Pfeil) und nähert sich dem Verschütteten auf der Feldlinie. Sobald der Sucher auf der Feldlinie auf zwei bis drei Meter an den Verschütteten herangekommen ist, beginnt er mit der Punktortung.

Jetzt gilt es, das Suchtempo zu verlangsamen und das LVS-Gerät direkt auf der Schneeoberfläche zu bewegen. Das Gerät keinesfalls schwenken oder drehen. Der Feldlinie folgend geht der Sucher so lange auf dieser Achse weiter, bis die Signalstärke wieder deutlich abnimmt.

In der Mitte des Bereiches der stärksten Signale (kleinster Entfernungs-Wert oder lautester Ton) wird dieses Vorgehen auf einer zweiten Achse senkrecht zur ersten wiederholt. Wichtig: Gerät dabei nicht drehen.

Sondieren

In der Mitte des Bereiches der stärksten Signale wird mit dem Sondieren begonnen, denn das verkürzt die exakte Punktortung wesentlich. Dazu ein Stockkreuz auf die Stelle des  stärksten Signals legen und mit der systematischen Sondierung von innen nach außen beginnen. Nach dem ersten sicheren Kontakt mit dem Verschütteten die Sonde exakt dort stecken lassen, wo die Person sondiert wurde.

Der unmittelbare Bereich um diese Sonde herum darf nun nicht mehr betreten werden (Erstickungsgefahr durch das Zusammentreten einer eventuell vorhandenen Lufthöhle). Jetzt kommt sofort der »Schaufeltrupp« zum Einsatz und befreit den Verschütteten. Nachdem der Kopf freigelegt ist, werden sofort die Vitalfunktionen (Bewusstsein, Atmung, Puls) kontrolliert und gegebenenfalls Sofortmaßnahmen eingeleitet. Anschließend wird so schnell wie möglich das LVS-Gerät des Verschütteten ausgeschaltet. 

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Lawinen-Verschüttetensuche: Schnelle Bergung 

Es gibt zwei Möglichkeiten, die Rettungszeiten von Lawinenopfern zu verkürzen: eine schnelle und effektive Suche (trainierbar) und eine optimierte Ausgrabungsstrategie, die ebenfalls in der Praxis geübt werden sollte. Gut beherrscht steigern beide Aspekte die Überlebenschancen der verschütteten Wintersportler enorm.

1. Lawinensonde bleibt fest stecken. Mit ihr wird die Lage des Opfers und seine Verschüttungstiefe markiert. So wird verhindert, dass Retter auf dem imaginären Feld (ca. 1,5 Meter im Durchmesser) umherlaufen und so weder auf das Opfer steigen, noch seine Atemhöhle zerstören.

2. Ausgrabungsfläche festlegen. Bei der Sonde starten und im Dreieck nach unten (talwärts) ziehen. In einem Abstand des 1,5–Fachen der Verschüttungstiefe (an der Basis des Dreiecks), beginnt das Graben. Beispiel: Ein Meter Verschüttungstiefe, der Retter beginnt 1,5 Meter unterhalb der Sonde mit dem Graben).

3. Die Retter stellen sich in einer V- förmigen Formation auf. Die beiden vordersten stehen eine Schaufellänge, alle anderen zwei Schaufellängen voneinander entfernt. Die hinteren Personen schaufeln den gelockerten Schnee weiter nach hinten und die vorderen graben so schnell wie möglich zum Verschütteten hinab.

4. Die Rotation der Helfer erfolgt auf Kommando der Person an der Spitze nach rund vier Minuten. Es kann aber auch schon früher gewechselt werden – auf jeden Fall vor den ersten Anzeichen von Erschöpfung!

5. Nach dem visuellen Erstkontakt mit dem Verschütteten sollten mehrere Helfer an die Spitze gehen, um mit voller Konzentration das dessen Kopf freizulegen und die Atemwege zu befreien.

6. Anschließend folgen Erste Hilfe-Maßnahmen und die Vorbereitung zum Abtransport – je nach Zustand des Geborgenen.

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Checkliste beim Lawinenunfall

1. Übersicht verschaffen: Verschüttetenanzahl? Verschwindepunkt? Weitere Gefahren (z. B. Nachlawinen)?

2. Notruf per Handy absetzen, wenn dies ohne Zeitverlust möglich ist.

3. Unbedingt alle LVS-Geräte aus- bzw. auf »Suchen« umschalten.

4. Mindestens der Erfahrenste beginnt sofort mit der LVS-Suche! Die anderen Helfer rüsten sich mit Sonde und Schaufel aus.

5. Wenn kein Signal empfangen wird: Lawinenkegel mit LVS-Gerät, Augen (auf Ausrüstung oder Körperteile) und Ohren (auf Hilferufe oder Stöhnen) systematisch absuchen.

6. Im Nahbereich schnell sondieren und schaufeln.

7. Opfer behandeln und vor Auskühlung schützen. LVS-Gerät ausschalten. Falls noch nicht erfolgt, Notruf absetzen.

Mögliche auftretende Probleme:

  • sehr tief verschüttete Opfer
  • störende LVS noch auf »Senden« (durch automatisches Umschalten)
  • weitere unbekannte Verschüttete