Bruckmann CMYK quer
Vergessene / Entdecker Pfade
klettersteig

Klettersteig Dolomiten: Cengia Paolina

Anspruch:
schwer
Dauer:
09:30 Std.
Länge:
16 km
Aufstieg:
1500 m
Abstieg:
1500 m

Die abenteuerliche Seite der Tofane. Die Südwand der Tofana di Rozes (3225 m) ist Blickfang bei einer Fahrt von Cortina d'Ampezzo hinauf zum Passo Falzárego, und auf die Mittlere Tofana führt die größte Seilbahn des Nobelortes, der »Freccia nel cielo« (Himmelspfeil). Und das Cengia Paolina?

Beschreibung

Dem (Bergsteiger-)Himmel ganz nahe dürften sich aber vor allem jene fühlen, die im Rücken des mächtigen Dolomitenmassivs – Lichtjahre weit weg vom Gewusel auf dem Seilbahngipfel – dem Cengia Paolina entsteigen, nach gut vierstündigem Auf und Ab über Felsbänder und Geröllhänge, durch wilde Karwinkel. Auf der dem Val Travenanzes zugewandten Seite des Tofana-Massivs ist man allein, in diese grandiose Felswildnis verirren sich weder Rotsockler noch Ferratisti, auch keine Kletterer. Denen sind die Zustiege zu lang, das Gestein ist zu brüchig, mit Geröllmassen überall, und dann liegt die Flanke erst noch im Schatten. Da sind die an sonnenwarme Felsen gewöhnten Gardasee-Climber garantiert fehl am Platz. Entschieden wohler fühlen sich hier jene Bergsteiger, die ihre Unternehmungen nicht als schnellen Hype, sondern als echtes Erlebnis verstehen, die sich auf den Berg, die Natur einlassen wollen, nicht nach dem Renommée der Tour in der Alpinszene schielen. Das Cengia Paolina ist terra incognita, das Band verläuft weit unterhalb der Gipfel und trotzdem (ver-)führt es in ungeahnte Höhen – emotional.

Dolomitenwildnis

Und das gerade mal sieben Kilometer vom Corso Italia in Cortina d’Ampezzo entfernt. Während die – meist schon älteren – Sommergäste aus Mailand oder Venedig dem »dolce fa’niente« frönen, vielleicht im Straßencafé sitzen und an ihrem Veneziano nippen, tastet sich ein einsamer Bergsteiger über das Felsband mit dem schönen Namen Paolina, lockeres Geriesel unter den Schuhsohlen, Konzentration im Blick.

Die Wasserflasche ist halb leer, der Durst groß und allmählich schleicht sich Müdigkeit in die Knochen. Der Weg ist noch weit, du weißt es, aber das gehört halt zum Bergsteigen, dass man sich abmühen, manchmal sogar schinden muss. Dafür bleiben diese Stunden dann, sind sie fest verankert in deinem Gedächtnis: Berge, die dir niemand mehr nehmen kann, Berge, fast für die Ewigkeit?

Zustieg

Von der Dibona-Hütte (2037 m) wandert man auf dem alten Kriegsweg durch das riesige Valon de Tofana hinauf zur Forcella Fontananegra (2590 m) mit dem Rifugio Giussani.

Cengia Paolina

Jenseits der markanten, von Bergsturztrümmern geprägten Scharte zweigt nach etwa 100 Metern rechts eine unmarkierte Spur von dem rot-weiß bezeichneten Wanderweg ins Travenanzestal ab. Sie führt am Rand des riesigen Majarie-Kars unter den Felsabbrüchen der Punta Giovannina bergab. Dabei hat man freie Sicht auf den Anfang des Cengia Paolina. Nicht zu übersehen ist auch der Schneefleck am Einstieg (2535 m). Der bereitet – je nach Jahreszeit bzw. den aktuellen Verhältnissen – mehr oder weniger Probleme. Im Spätsommer ist der Zugang meistens via Randspalte möglich; geht das nicht, muss man über den Schnee, wozu unter Umständen Steigeisen notwendig sind.Das Geröllband ist anfangs komfortabel breit, verengt sich aber bald zu einer kurzen Engstelle, die zwar etwas heikel aussieht, aber problemlos passiert wird. Dann läuft das Band flach hinaus in die Westflanke (2520 m) der Nemesis (2755 m). Schlagartig nimmt die Tiefe zu; rund 650 Meter unter dem Abenteuerpfad plätschert das Wasser des Travenanzes-Bachs talauswärts. Jenseits des tiefen Grabens baut sich eine vielgipflige Kette auf, vom Lagazuoi über die Fanis- und die Furcia-Rossa-Spitzen bis zur Croda del Valon Bianco. Genau im Süden steht massig die Tofana di Rozes, ein schöner Kontrast zur firnschimmernden Marmolada, die sich über dem Talschluss von Travenanzes erhebt. Eine grandiose Kulisse, doch tut man gut daran, sich dadurch nicht zu sehr vom nächsten Schritt ablenken zu lassen – ein Fehltritt könnte fatale Folgen haben! An der Nemesis-Nordwestkante (2435 m) öffnet sich ganz unvermittelt der Blick in das wilde Kar von Potofana. Das schmale Band (eine kurze Engstelle) läuft hinein in dieses felsumstandene Amphitheater. Steigspuren leiten im Geröll abwärts (oberhalb Schneefeld), dann flach hinüber zum Felsfuß. Man verfolgt das breite, ziemlich abschüssige Schuttband (tiefste Stelle ca. 2300 m), bis verblasste Markierungen und Steinmänner wieder nach oben weisen. Über gestufte Felsen, durch einen engen Spalt, zuletzt auf einer gut sichtbaren Spur steigt man an zu der kleinen Scharte (2435 m) im Rücken einer namenlosen Kuppe (2474 m). Prachtblick zur Croda del Valon Bianco und zur Hohen Gaisl (3146 m). Von dem schönen Aussichtspunkt führt die Route wieder bergab, zunächst in der Mitte des breiten Grabens (Steinmännchen, alte Markierungen), dann – einer undeutlichen Spur folgend – in feinem Gries leicht rechts. Man steuert das von oben gut sichtbare Felsband an (Einstieg bei ca. 2190 m). Es läuft – teilweise recht luftig – durch die westseitige Steilflanke, dabei leicht an Höhe verlierend (bis ca. 2120 m). Eine kurze Felspassage lässt sich problemlos überklettern, dann geht’s auf dem Band (alte Haken) weiter zu einem markanten Eck. Gleich dahinter folgt die Schlüsselstelle am Cengia Paolina, eine abschüssige, extrem ausgesetzte Passage (I). In brüchigen Schrofen steigt man anschließend noch ein Stück weiter auf (bis ca. 2235 m). Vor einem liegt der nächste mächtige Geröllkessel. Man quert ihn, zunächst erneut etwas absteigend zu einem Latschenfeld. Der nächste, nur kurze, aber mühsame Anstieg endet in einer kleinen Scharte (2215 m), von der sich ein erster Tiefblick in den Geröllschlauch des Vallon de Ra Ola bietet. Rechts neben der Rinne steigt man noch etwas weiter auf zu einer nächsten Scharte; hier weist ein Pfeil nach links: Schussfahrt für Gleichgewichtskünstler zur Ponte dei Cadoris (1483 m) an der Mündung des Val Travenanzes (Abstiegsvariante).

Nach Ra Valles

Der Weiterweg – nun gut markiert – führt zunächst in eine Senke, an der sich ein Prachtblick nach Osten auftut: Cristallo, Sorapiš und Antelao. Vorbei an einer verfallenen Hütte leiten die Markierungen unter den Felsen der Cima Formenton über Felsbänder und im Geröll bergan zu einer Verzweigung (ca. 2540 m). Hier geht man links (rechts zur Tofana di Dentro) und quert das Riesenkar von Ra Vales – erst ab-, dann wieder ansteigend – hinüber zur Zwischenstation Ra Valles (2470 m) der großen Tofana-Seilbahn.

Sentiero Giuseppe Olivieri

Beim Seilbahngebäude weist ein Schild zum Rifugio Pomedes, eine Lifttrasse (nur Winterbetrieb) gibt die Richtung vor. In der Nähe ihrer Bergstation beginnt der gesicherte Sentiero Olivieri (Tafel). Er folgt zunächst einem Felsband, steigt dann durch Rinnen (Drahtseile) ab zu einer Steilstufe mit Eisenleiter. Danach wird aus der Ferrata (K2) vorübergehend ein Wanderweg, der über den Südosthang des Ersten Pomedesturms hinabzieht zur Ausstiegswand. Drahtseile und eine Leiter helfen über den Abbruch. Anschließend knickt der Weg nach rechts ab und quert – teilweise mit Drahtseilsicherung – die wilde Schlucht unter den Pomedestürmen. Ein kurzer Gegenanstieg führt zum prächtig gelegenen Rifugio Pomedes (2303 m). Von der Hütte steigt man, den Hinweisschildern folgend, ab zum Rifugio Dibona (2037 m), wo sich die grandios-große Runde schließt.

Touren-Charakter

Großartige, sehr anspruchsvolle Unternehmung, abschnittsweise wegloses Gelände. Nur für erfahrene Bergsteiger mit gutem Orientierungssinn. Ungesicherte Kletterstellen am Cengia Paolina (I), für Einstieg evtl. Steigeisen erforderlich. Nur bei sicherem Wetter gehen, schlechte Sicht erschwert die Orientierung am großen Band zusätzlich. Keine Ausstiegsmöglichkeit am Cengia Paolina. In den Schattenwinkeln hält sich der Schnee bis weit in den Sommer hinein. Deshalb wichtig: vorab Infos über die Begehbarkeit der Route im Rifugio Giussani einholen, nicht allein gehen!

Ausgangspunkt

Rifugio Dibona (2037 m)

Endpunkt

Rifugio Dibona (2037 m)

Route

Gesamt 9.30 Std.; Rifugio Dibona - Rifugio Giussani 1.30 Std., Cengia Paolina 4.30 Std., weiter zur Seilbahnstation Ra Valles 1.45 Std., Sentiero Olivieri - Rifugio Dibona 1.45 Std.

Schwierigkeit

K2

Höchster Punkt

Forcella Fontananegra (2590 m), Ra Valles (2540 m)

Information

Markierung Zustieg und Rückweg rot-weiß markiert, Hinweisschilder; am Cengia Paolina Steinmännchen, gelegentlich alte Farbmarkierungen

Lust auf mehr?
Vergessene Pfade Dolomiten
Erlebe alle Touren aus dem Guide!
Es gibt auch stille Winkel in den Dolomiten, Einsamkeit und vergessene oder nur selten begangene Pfade. Mit diesem Führer finden Sie diese Routen.
Bitte beachten!

Für die Richtigkeit und Aktualität der Angaben kann trotz größtmöglicher redaktioneller Sorgfalt keine Haftung übernommen werden. Insbesondere bei GPS Daten können Abweichungen nicht ausgeschlossen werden.
Sicher unterwegs: Ein glücklicher und erfolgreicher Tag in der Natur setzt nicht nur die richtige Vorbereitung, sondern auch auch verantwortungsbewusstes Handeln auf Tour voraus. Das solltet ihr bei der Tourenplanung immer beachten.